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Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime (Bautzen):

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„Finger weg von Vorkasse – was bei Solar-Investments auf fremden Dächern wirklich zählt“

Redaktion: Herr Reime, immer mehr Menschen interessieren sich für Photovoltaik – auch als Investment auf fremden Dächern. Was macht diese Form der Kapitalanlage so interessant?

RA Jens Reime: Solarstrom ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich attraktiv – vor allem bei steigenden Energiepreisen. Viele Gebäude, besonders Hallen oder Gewerbeimmobilien, haben große ungenutzte Dachflächen. Wenn ein Investor die Solaranlage stellt und betreibt, während der Eigentümer die Fläche zur Verfügung stellt, kann das für beide Seiten ein Gewinn sein. Aber: Nur, wenn die Rahmenbedingungen sauber geregelt sind.

Redaktion: Was sollte ein Investor unbedingt prüfen, bevor er ein solches Vorhaben unterschreibt?

RA Reime: Ganz entscheidend ist, dass der Investor keine Investition tätigt, ohne ein rechtlich abgesichertes Nutzungsrecht an der Dachfläche zu haben – und zwar langfristig, also über mindestens 20 Jahre. Das ist die typische Amortisationszeit einer Photovoltaikanlage. Das Nutzungsrecht muss schriftlich vereinbart und idealerweise grundbuchlich gesichert werden, zum Beispiel über eine Dienstbarkeit oder einen Erbbauvertrag. Sonst kann es passieren, dass bei einem Eigentümerwechsel das Projekt endet – und die Investition verloren ist.

Redaktion: Welche Risiken erleben Sie in Ihrer Praxis besonders häufig?

RA Reime: Sehr häufig sehe ich, dass Anleger oder kleinere Betreiber viel zu früh Zahlungen leisten, oft auf Basis vager Versprechungen. Ich sage ganz deutlich: Gehen Sie niemals in Vorkasse! Wenn Sie Geld überweisen, bevor rechtlich alles geprüft ist, gehen Sie ein hohes Risiko ein – bis hin zum Totalverlust. Ich habe Mandanten vertreten, die auf solche „Solar-Deals“ hereingefallen sind und deren Anlagen nie gebaut wurden – oder nur zur Hälfte.

Außerdem werden oft die laufenden Kosten unterschätzt. Eine PV-Anlage erzeugt nicht nur Strom, sie braucht Wartung, Reinigung, Versicherung und technisches Monitoring. Auch Wechselrichter müssen nach 10–15 Jahren erneuert werden. Diese Kosten müssen von Anfang an in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einfließen.

Redaktion: Welche Folgekosten sollte ein Investor konkret im Blick behalten?

RA Jens Reime: Neben der Erstinvestition – also Modulen, Montagesystem, Wechselrichter – kommen über die Jahre zum Teil erhebliche Nebenkosten:

  • Wartung und Reparatur durch Fachfirmen

  • Versicherung gegen Schäden, Diebstahl oder Ertragsausfall

  • Monitoring-Software oder Dienstleister, die den Betrieb überwachen

  • Rückbauverpflichtungen am Ende der Laufzeit – vertraglich oft vorgeschrieben

  • Netzanschlusskosten, die nicht immer vom Versorger übernommen werden

Oft ist der Rückbau der Anlage vertraglich dem Investor auferlegt – das kann in 20 Jahren teuer werden, insbesondere wenn das Dach bis dahin sanierungsbedürftig ist.

Redaktion: Worauf sollte man bei der Wahl des Vertragspartners achten?

RA Reime: Seriöse Anbieter drängen nicht zu schnellen Entscheidungen. Misstrauen Sie jeder Form von Druck – „Letzte Chance“, „begrenztes Kontingent“, „nur noch heute“ – das ist unseriös. Lassen Sie sich alle Unterlagen aushändigen, prüfen Sie den Anbieter, fordern Sie Referenzen und klären Sie:

  • Wer ist Eigentümer der Anlage?

  • Wer bekommt die Einspeisevergütung oder Direktvermarktungserlöse?

  • Was passiert, wenn der Eigentümer das Gebäude verkauft oder insolvent wird?

  • Wie wird sichergestellt, dass Sie Zugang zur Anlage haben – auch im Störfall?

Redaktion: Welche rechtlichen Mindeststandards sollte ein Vertrag erfüllen?

RA Jens Reime: Es muss klar geregelt sein, wer welche Rechte und Pflichten hat. Der Vertrag sollte unter anderem enthalten:

  • Laufzeit des Nutzungsvertrags (idealerweise mindestens 20–25 Jahre)

  • Kündigungsfristen und -gründe, auch bei Eigentümerwechsel

  • Haftung und Versicherungspflichten

  • Zugangsrechte zur Wartung

  • Vertragsstrafen bei Pflichtverletzungen

  • Regelung zum Rückbau oder Übergabe der Anlage am Laufzeitende

Idealerweise lassen Sie den Vertrag von einem auf Energierecht spezialisierten Anwalt prüfen, bevor Sie irgendetwas unterschreiben.

Redaktion: Wie steht es um die Finanzierung – was fordern Banken?

RA Jens Reime: Banken sind inzwischen sehr vorsichtig. Ohne eine gesicherte Rechtsposition – also einen langfristigen Nutzungsvertrag oder eine grundbuchliche Eintragung – gibt es in der Regel keine Finanzierung. Außerdem fordern viele Banken Vorrang im Insolvenzfall – das muss im Vertrag mit dem Gebäudeeigentümer berücksichtigt werden. Ich empfehle meinen Mandanten, die Bank schon frühzeitig mit ins Boot zu holen.

Redaktion: Und was ist, wenn der Eigentümer plötzlich stirbt oder das Gebäude zwangsversteigert wird?

RA Reime: Ohne dingliche Sicherung kann das im schlimmsten Fall bedeuten: Anlage abbauen und Geld abschreiben. Daher ist die Grundbuchsicherung – beispielsweise über eine Dienstbarkeit oder ein Erbbaurecht – absolut essenziell. Ich rate meinen Mandanten stets, das als Mindeststandard zu betrachten. Wer auf fremdem Boden investieren will, muss sich wie ein Eigentümer absichern – sonst hat er nichts in der Hand.

Redaktion: Herr Reime, vielen Dank für Ihre klaren Worte. Ihr Fazit?

RA Jens Reime: Solar-Investments können sinnvoll und rentabel sein – aber nur mit fundierter Planung und juristischer Absicherung. Vertrauen Sie nicht auf schöne Präsentationen, sondern lassen Sie jeden Vertrag professionell prüfen. Und mein dringender Rat: Zahlen Sie niemals vor Vertragsabschluss. Erst wenn alle rechtlichen, technischen und finanziellen Fragen geklärt sind, sollte man investieren. Das schützt nicht nur Ihr Kapital – es sorgt auch für einen ruhigen Schlaf.

Redaktion: Vielen Dank, Herr Reime, für dieses aufschlussreiche Gespräch.

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