Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Februar 2025 (VIII ZR 138/23) hat weitreichende Folgen für Verbraucher und Unternehmen. Es bestätigt, dass Inkassokosten auch dann als ersatzfähiger Verzugsschaden geltend gemacht werden können, wenn das Inkassounternehmen mit dem Gläubiger konzernverbunden ist. Rechtsanwältin Kerstin Bontschev erläutert die Hintergründe der Entscheidung und ihre Auswirkungen.
Fragen & Antworten
Frage: Frau Bontschev, der BGH hat entschieden, dass Inkassokosten auch dann erstattet werden können, wenn das Inkassounternehmen mit dem Gläubiger konzernverbunden ist. Was bedeutet das konkret?
Antwort: Das Urteil stellt klar, dass der Ersatzanspruch für Inkassokosten nicht davon abhängt, ob das Inkassounternehmen konzernintern oder extern beauftragt wurde. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Gläubiger durch die Beauftragung tatsächlich ein Schaden entstanden ist – also ob er mit einer Verbindlichkeit belastet wurde.
Frage: Das Oberlandesgericht Hamburg sah das noch anders und argumentierte, dass der Gläubiger im Innenverhältnis gar nicht mit Kosten belastet sei. Warum hat der BGH diese Sichtweise verworfen?
Antwort: Der BGH hat betont, dass es nicht darauf ankommt, ob die Inkassovergütung sofort gezahlt wird oder durch interne Absprachen innerhalb des Konzerns verrechnet wird. Auch wenn der Gläubiger – also das konzernverbundene Unternehmen – keinen direkten Geldabfluss hat, bleibt es doch verpflichtet, die Vergütung zu erbringen. Das stellt eine Vermögenseinbuße dar, die als ersatzfähiger Schaden gilt.
Frage: Kritiker befürchten, dass durch das Urteil Konzernunternehmen gezielt eigene Inkassodienstleister nutzen könnten, um Verbraucher zusätzlich zu belasten. Sehen Sie diese Gefahr?
Antwort: Diese Sorge ist nachvollziehbar, aber der BGH hat dem eine Grenze gesetzt. Die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten setzt voraus, dass die Beauftragung notwendig und zweckmäßig war. Eine künstliche Erzeugung von Kosten zum Nachteil der Verbraucher könnte als rechtsmissbräuchlich eingestuft werden.
Frage: Welche Möglichkeiten haben Verbraucher, sich gegen überhöhte Inkassokosten zu wehren?
Antwort: Verbraucher sollten genau prüfen, ob die geforderten Inkassokosten angemessen sind. Grundsätzlich dürfen Inkassokosten nicht höher sein als die eines Rechtsanwalts nach dem RVG. Zudem müssen die Kosten tatsächlich notwendig gewesen sein. Wer Zweifel hat, kann sich an Verbraucherzentralen oder eine Rechtsberatung wenden.
Frage: Welche Auswirkungen hat das Urteil auf Unternehmen, die Forderungen eintreiben?
Antwort: Unternehmen mit konzerninternem Inkasso gewinnen durch das Urteil Rechtssicherheit. Sie können nun Inkassokosten als Verzugsschaden geltend machen, sofern die Beauftragung nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt. Das könnte dazu führen, dass mehr Unternehmen auf interne Inkassodienstleister setzen.
Frage: Sollte der Gesetzgeber nach Ihrer Ansicht tätig werden, um mögliche Missbrauchsrisiken zu minimieren?
Antwort: Es wäre denkbar, die Regelungen zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten zu präzisieren – insbesondere für Fälle, in denen Konzernunternehmen beteiligt sind. Eine gesetzliche Klarstellung könnte sicherstellen, dass Verbraucher nicht unangemessen belastet werden.
Frage: Ihr abschließender Rat für Verbraucher, die eine Inkassoforderung aus einem Konzerninkasso erhalten?
Antwort: Ruhe bewahren und die Forderung prüfen. Verbraucher sollten sich nicht unter Druck setzen lassen, sondern prüfen, ob die Hauptforderung berechtigt ist und ob die Inkassokosten dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entsprechen. Bei Unsicherheiten hilft eine Beratung durch eine Verbraucherzentrale oder einen Anwalt.
Fazit:
Das Urteil des BGH stärkt die Position von Unternehmen mit konzerninternem Inkasso, stellt aber gleichzeitig klar, dass keine willkürliche Kostenbelastung für Verbraucher erfolgen darf. Verbraucher sollten genau hinsehen und sich gegebenenfalls juristischen Rat einholen.
Kommentar hinterlassen