Frage: Frau Bontschev, die net digital AG hat ihre Aktionäre für den 31. Oktober 2025 zu einer außerordentlichen Hauptversammlung eingeladen. Worum geht es im Kern?
Rechtsanwältin Bontschev: Im Mittelpunkt steht die Abstimmung über einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der net digital AG und ihrer 100-prozentigen Tochtergesellschaft, der Mobile Business Engine GmbH. Mit einem solchen Vertrag werden zwei Dinge erreicht: Erstens die Möglichkeit, steuerliche Vorteile zu nutzen, indem eine sogenannte Organschaft entsteht. Zweitens die rechtliche und wirtschaftliche Eingliederung der Tochtergesellschaft in den Konzern.
Frage: Was bedeutet ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag konkret?
Rechtsanwältin Bontschev: Vereinfacht gesagt verpflichtet sich die Tochtergesellschaft, ihren gesamten Gewinn an die Muttergesellschaft abzuführen. Im Gegenzug übernimmt die Muttergesellschaft die Verluste der Tochter. Zudem erhält die Muttergesellschaft ein Weisungsrecht gegenüber der Tochter – sie kann also deren Geschäftsführung anleiten. Rechtlich wird die Tochtergesellschaft damit stark in den Konzern eingegliedert.
Frage: Welche steuerlichen Vorteile bringt das?
Rechtsanwältin Bontschev: Durch die Organschaft können Gewinne und Verluste zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft steuerlich verrechnet werden. Das führt in der Regel zu einer niedrigeren Steuerlast, weil Verluste der Tochter sofort mit Gewinnen der Mutter verrechnet werden können.
Frage: Gibt es Auswirkungen für die Aktionäre der net digital AG?
Rechtsanwältin Bontschev: Da die net digital AG 100 % der Anteile an der Mobile Business Engine GmbH hält, gibt es keine außenstehenden Gesellschafter, die abgefunden oder ausgeglichen werden müssten. Für die Aktionäre der net digital AG bedeutet der Vertrag vor allem, dass künftige Gewinne oder Verluste der Tochter unmittelbar in das Konzernergebnis einfließen. Das kann zu mehr Transparenz, aber auch zu einer höheren Ergebnisvolatilität führen.
Frage: Im Einladungstext ist von § 302 AktG und einer Verlustübernahme die Rede. Können Sie das einordnen?
Rechtsanwältin Bontschev: Ja, das ist eine gesetzliche Pflicht. Die Muttergesellschaft muss während der Vertragslaufzeit alle Verluste der Tochter übernehmen. Damit soll verhindert werden, dass Gläubiger der Tochtergesellschaft benachteiligt werden. Für die Aktionäre der net digital AG bedeutet das aber auch, dass Verluste der Tochter die Bilanz der Mutter direkt belasten können.
Frage: Der Vertrag enthält zahlreiche Verweise auf europäische Vorschriften, insbesondere die CRR und das ZAG. Warum ist das relevant?
Rechtsanwältin Bontschev: Die Mobile Business Engine GmbH scheint in einem regulierten Bereich tätig zu sein, möglicherweise mit Bezug zu Zahlungsdiensten oder Finanztechnologie. Deshalb müssen die Vorschriften des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) und der Eigenmittelanforderungen nach der EU-Verordnung 575/2013 (CRR) berücksichtigt werden. Wichtig ist hier, dass der Vertrag so gestaltet ist, dass er die aufsichtsrechtliche Anerkennung von Eigenmitteln nicht gefährdet.
Frage: Wie lange läuft ein solcher Vertrag?
Rechtsanwältin Bontschev: Der Vertrag soll für mindestens fünf volle Geschäftsjahre abgeschlossen werden. Danach verlängert er sich automatisch um jeweils ein Jahr, wenn er nicht rechtzeitig gekündigt wird. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist nur eingeschränkt möglich, etwa wenn die finanzielle Eingliederung der Tochtergesellschaft wegfällt oder eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung erfolgt.
Frage: Welche Rechte haben die Aktionäre im Zusammenhang mit dieser Hauptversammlung?
Rechtsanwältin Bontschev: Aktionäre müssen sich fristgerecht anmelden und ihren Anteilsbesitz nachweisen, um teilzunehmen und abzustimmen. Sie können ihr Stimmrecht selbst ausüben oder sich vertreten lassen. Außerdem besteht die Möglichkeit, Gegenanträge zu stellen. Da es aber nur einen Tagesordnungspunkt gibt – nämlich die Zustimmung zum Vertrag – wird sich alles auf diese Abstimmung konzentrieren.
Frage: Wie bewerten Sie den Schritt insgesamt aus Anlegersicht?
Rechtsanwältin Bontschev: Der Vertrag ist ein typisches Mittel der Konzernintegration. Für die net digital AG bedeutet er mehr steuerliche Effizienz und eine klare Ergebnisverknüpfung mit der Tochtergesellschaft. Für Aktionäre ist entscheidend, dass dadurch zwar Chancen auf höhere Steuervorteile entstehen, gleichzeitig aber auch Verlustrisiken der Tochtergesellschaft unmittelbar übernommen werden müssen.
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