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Interview mit KI-Experte Tim Schlautmann von Marketport: „DeepSeek verändert das Spielfeld“

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Die Meldung über das neue KI-Modell DeepSeek R1 aus China hat die globalen Märkte erschüttert. Besonders Tech-Aktien und Chiphersteller gerieten massiv unter Druck. Doch was bedeutet dieser Durchbruch wirklich für die Branche? Ist die Aufregung gerechtfertigt? Wir sprechen mit Tim Schlautmann, Digital- und KI-Experte beim Unternehmen Marketport, über die möglichen Auswirkungen von DeepSeek auf den Markt für Künstliche Intelligenz.

Frage: Herr Schlautmann, DeepSeek R1 sorgt aktuell für große Unruhe an den Börsen. Warum reagieren die Märkte so empfindlich?

Tim Schlautmann: Die Nervosität ist nachvollziehbar, da DeepSeek R1 offenbar ein kosteneffizientes KI-Modell ist, das mit weniger leistungsstarken Chips auskommt als vergleichbare Systeme von OpenAI oder Google. Das könnte langfristig bedeuten, dass weniger spezialisierte Hardware von Unternehmen wie Nvidia oder AMD benötigt wird – und genau diese Firmen sind die großen Gewinner des KI-Booms der letzten Jahre.

Gleichzeitig haben wir es hier mit einem chinesischen KI-Anbieter zu tun, der offenbar sehr schnell in westliche Märkte vordringt. Das sorgt für Verunsicherung, denn bisher dominieren US-Firmen wie OpenAI, Google oder Microsoft diesen Bereich.

Frage: Ist DeepSeek R1 wirklich eine Bedrohung für die großen KI-Anbieter?

Schlautmann: DeepSeek ist zweifellos ein ernstzunehmender Konkurrent, aber es wäre verfrüht, jetzt schon den Untergang von OpenAI oder Nvidia auszurufen. Die KI-Modelle von OpenAI oder Google sind sehr weit entwickelt, und es gibt keine Hinweise darauf, dass DeepSeek R1 eine völlig neue oder überlegene Technologie nutzt.

Allerdings könnte DeepSeek das Preisgefüge im KI-Sektor verändern. Wenn sich herausstellt, dass es qualitativ mit den westlichen Modellen mithalten kann und dabei wesentlich günstiger ist, könnte das die gesamte Branche zu einer Konsolidierung zwingen.

Frage: Welche Unternehmen sind besonders betroffen?

Schlautmann: Besonders hart trifft es derzeit die Chipindustrie. Aktien von Unternehmen wie Nvidia, AMD, ASML oder Infineon sind zweistellig gefallen. Auch große Tech-Werte wie Microsoft, Meta oder Alphabet haben gelitten.

Der Grund ist, dass DeepSeek – sollte es wirklich mit weniger rechenintensiver Hardware auskommen – die massive Nachfrage nach Hochleistungschips dämpfen könnte. Nvidia war zuletzt das wertvollste Unternehmen der Welt, könnte aber diesen Titel wieder an Apple verlieren, wenn der Kursverfall anhält.

Frage: Experten vergleichen DeepSeek R1 bereits mit dem „Sputnik-Schock“. Ist das gerechtfertigt?

Schlautmann: Der Vergleich mit dem Sputnik-Schock von 1957, als die Sowjetunion die USA mit dem ersten Satellitenstart überraschte, ist natürlich sehr dramatisch. Es ist aber unbestritten, dass China massiv in KI-Technologie investiert und mit DeepSeek ein Modell auf den Markt gebracht hat, das für Aufsehen sorgt.

Gleichzeitig gibt es keine Anzeichen, dass DeepSeek technisch revolutionär ist oder die westliche KI-Industrie plötzlich abhängt. Vielmehr ist es ein Zeichen dafür, dass China aufholt – und das könnte den Wettbewerb beschleunigen.

Frage: Gibt es Gründe zur Panik, oder übertreiben die Märkte?

Schlautmann: Die aktuelle Reaktion der Börsen wirkt übertrieben. Zwar sorgt DeepSeek für einen neuen Preisdruck und könnte die Margen in der Branche beeinflussen, aber die Nachfrage nach KI bleibt hoch.

Außerdem setzen Unternehmen wie OpenAI oder Google nicht nur auf ein einzelnes Modell, sondern auf ganze KI-Ökosysteme, die aus Software, Hardware und spezialisierten Dienstleistungen bestehen. Es ist unwahrscheinlich, dass DeepSeek diesen gesamten Markt auf den Kopf stellt.

Die Tech-Branche ist sehr volatil – aktuell erleben wir eher eine Korrektur nach den starken Kursgewinnen der letzten Jahre, als dass wirklich eine Revolution aus China stattfindet.

Frage: Welche Entwicklung erwarten Sie für die nächsten Monate?

Schlautmann: Entscheidend wird sein, ob DeepSeek tatsächlich in der Praxis überzeugt. Der aktuelle Hype könnte sich schnell relativieren, wenn sich zeigt, dass das Modell zwar effizient, aber nicht auf dem gleichen Qualitätsniveau wie GPT-4 oder Gemini von Google ist.

Langfristig wird der Wettbewerb um KI-Modelle weiter zunehmen. OpenAI, Google und Microsoft werden sicher nicht einfach zusehen, wie DeepSeek Marktanteile gewinnt. Sie werden wahrscheinlich mit eigenen Effizienzsteigerungen und Preisanpassungen reagieren.

Außerdem darf man nicht vergessen, dass der Aufbau von leistungsfähigen KI-Systemen nicht nur von der Software abhängt – die Infrastruktur, Datencenter und KI-Cloud-Dienste sind ebenso entscheidend. Und in diesen Bereichen haben die westlichen Anbieter aktuell einen klaren Vorsprung.

Frage: Was bedeutet das für Investoren?

Schlautmann: Kurzfristig erleben wir eine Korrektur – das ist für Investoren schmerzhaft, aber kein Grund zur Panik. Die langfristigen Wachstumsperspektiven für KI bleiben bestehen, gerade weil Unternehmen ständig nach effizienteren Lösungen suchen.

Wer in Tech-Aktien investiert ist, sollte sich auf eine volatilere Phase einstellen. Es könnte aber auch eine gute Gelegenheit sein, um günstig in Qualitätsaktien einzusteigen, die jetzt übermäßig abgestraft wurden.

Fazit:

DeepSeek hat den Markt aufgeschreckt, aber es gibt keinen Grund für Panik. Der KI-Boom geht weiter, und der Wettbewerb wird intensiver. Vieles hängt davon ab, ob sich das Modell wirklich als revolutionär erweist oder ob es sich nur um eine kostengünstigere Alternative handelt.

Für Investoren gilt: Ruhe bewahren, die langfristigen Trends beobachten und sich nicht von kurzfristigen Turbulenzen aus der Ruhe bringen lassen.

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