Frage: Herr Dr. Lauerbach, die Tabakbranche drängt auf die Zulassung von Nikotinbeuteln in Deutschland. Befürworter argumentieren, sie seien eine weniger schädliche Alternative zu Zigaretten. Wie stehen Sie dazu?
Dr. Lauerbach: Die Behauptung, Nikotinbeutel seien „weniger schädlich“, ist nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Zwar enthalten sie keinen verbrannten Tabak, was gewisse Schadstoffe reduziert, aber das bedeutet nicht, dass sie harmlos sind. Nikotin bleibt ein stark süchtig machendes Nervengift, das gerade für junge Menschen ein erhebliches Risiko birgt.
Frage: Die Industrie verweist auf Länder wie Schweden oder die USA, wo diese Produkte bereits legal sind. Gibt es dort Erkenntnisse, die für oder gegen eine Zulassung in Deutschland sprechen?
Dr. Lauerbach: In Schweden gibt es tatsächlich eine lange Tradition mit oralen Nikotinprodukten wie Snus, und einige Studien zeigen, dass die Raucherquote dort niedriger ist als in anderen europäischen Ländern. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass Nikotinbeutel ein sinnvolles Mittel zur Rauchentwöhnung sind. In den USA sind bestimmte Nikotinbeutel zugelassen, aber die Langzeitfolgen sind noch weitgehend unbekannt. Zudem gibt es Hinweise, dass junge Menschen, die diese Produkte nutzen, später eher zu anderen Nikotinprodukten greifen.
Frage: Die Hersteller argumentieren, dass Nikotinbeutel erwachsenen Rauchern helfen könnten, von der Zigarette wegzukommen. Könnten sie also eine Alternative zur Tabakentwöhnung sein?
Dr. Lauerbach: Das ist eine häufig genutzte Argumentation der Industrie. Aber Nikotinbeutel sind keine medizinisch zugelassenen Entwöhnungsprodukte wie Nikotinpflaster oder -kaugummis. Sie unterliegen keinen strengen klinischen Prüfungen und sind nicht für die gezielte Rauchentwöhnung entwickelt worden. Vielmehr werden sie als Lifestyle-Produkte vermarktet – mit ansprechenden Geschmacksrichtungen und modernem Design. Das birgt die Gefahr, neue Konsumenten anzulocken, statt Rauchern beim Ausstieg zu helfen.
Frage: Kritiker warnen vor einem Einstieg junger Menschen in die Nikotinabhängigkeit. Wie bewerten Sie dieses Risiko?
Dr. Lauerbach: Es ist enorm hoch. Die Tabakindustrie hat in der Vergangenheit immer wieder Produkte auf den Markt gebracht, die gezielt junge Menschen ansprechen – mit fruchtigen Aromen, stylischer Verpackung und einer harmlosen Imagekampagne. Studien zeigen, dass Jugendliche besonders anfällig für Nikotinabhängigkeit sind. Wer früh beginnt, hat ein höheres Risiko, dauerhaft abhängig zu bleiben. Das gilt für Zigaretten genauso wie für Nikotinbeutel.
Frage: Die Tabakbranche kritisiert, dass Nikotinbeutel in Deutschland nicht regulär verkauft werden dürfen, während sie online aus dem Ausland bestellt werden können. Sollte der Gesetzgeber handeln?
Dr. Lauerbach: Die aktuelle Situation ist tatsächlich widersprüchlich: Der Verkauf ist in Deutschland verboten, aber die Bestellung aus dem Ausland ist erlaubt. Anstatt einer vorschnellen Zulassung im Einzelhandel braucht es eine klare Regulierung. Der Schutz junger Menschen muss oberste Priorität haben. Eine Zulassung ohne strenge Alterskontrollen, Werbebeschränkungen und gesundheitliche Aufklärung wäre unverantwortlich.
Frage: Abschließend: Halten Sie eine Legalisierung für wahrscheinlich?
Dr. Lauerbach: Das hängt von der politischen Entwicklung ab. Die Bundesregierung ist hier bisher zurückhaltend, auch weil Langzeitstudien fehlen. Gleichzeitig stehen große wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel. Die Frage ist letztlich, ob der Schutz der Gesundheit oder die Marktinteressen der Konzerne schwerer wiegen. Ich hoffe, dass die Politik sich hier für den vorsichtigen Weg entscheidet.
Frage: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Lauerbach.
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