Ein schockierender Fall aus Indien erschüttert derzeit die Öffentlichkeit: Eine 18-jährige Dalit-Frau hat angegeben, über fünf Jahre hinweg von fast 60 Männern sexuell missbraucht, vergewaltigt und teilweise zur Prostitution gezwungen worden zu sein. Unter den mutmaßlichen Tätern befinden sich Nachbarn, Verwandte, Mitschüler und Fremde.
Missbrauch begann im Kindesalter
Die heute 18-Jährige wurde laut Polizei erstmals mit 13 Jahren von einem Nachbarn missbraucht. Er soll das Verbrechen gefilmt und das Mädchen anschließend mit den Aufnahmen erpresst haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass diese Erpressung dazu führte, dass weitere Männer über Jahre hinweg die Jugendliche missbrauchten. Einige der Täter versprachen ihr angeblich die Ehe, andere bedrohten sie mit dem Tod, falls sie über die Taten sprach.
Der Missbrauch ereignete sich in Wohnhäusern, Autos, an Busstationen und sogar auf offenen Feldern, teilten die Ermittler mit. Manche der Täter reisten extra aus entfernten Städten an, um das Mädchen zu missbrauchen. In einigen Fällen bestehe zudem der Verdacht auf Menschenhandel, da das Opfer gezwungen wurde, ihre Heimatregion zu verlassen.
Über 58 Festnahmen – doch keine landesweite Empörung
Die Polizei hat bisher 58 Verdächtige festgenommen. Zwei weitere mutmaßliche Täter sollen sich bereits ins Ausland abgesetzt haben. Trotz der grausamen Details und des enormen Umfangs dieses Falls bleibt eine große öffentliche Empörung in Indien bislang aus.
Menschenrechtsaktivisten führen dies auf die soziale Herkunft des Opfers zurück. Die junge Frau gehört der Dalit-Gemeinschaft an – einer Gruppe, die im indischen Kastensystem am untersten Ende steht und oft diskriminiert wird. „Wenn es Dalit-Frauen betrifft, ist die Empörung in der Gesellschaft meist geringer“, erklärte die Dalit-Aktivistin Cynthia Stephen. „Es gibt das Gefühl, dass dieses Mädchen nicht ‚eine von uns‘ ist.“
Opfer wird von der eigenen Gemeinde verurteilt
Besonders erschütternd: Innerhalb ihrer eigenen Gemeinde schlug der Betroffenen nicht nur Mitgefühl entgegen – einige Frauen nahmen Partei für die mutmaßlichen Täter. Lokale Medien berichteten, dass einige Dorfbewohner die Kleidung und das Verhalten des Opfers kritisierten und sogar der Mutter des Mädchens die Schuld gaben, weil sie ihre Tochter nicht besser beaufsichtigt habe.
Strukturelle Diskriminierung von Dalit-Frauen
Gewalt gegen Dalit-Frauen ist in Indien weit verbreitet. Nach offiziellen Angaben wurden allein 2022 mehr als 4.200 Vergewaltigungen an Frauen aus unterdrückten Kasten registriert – und die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. Experten sprechen von systematischer Unterdrückung, da viele Dalit-Frauen in wirtschaftlich prekären Verhältnissen leben und oftmals kaum Chancen auf Gerechtigkeit haben.
In diesem Fall waren nach Polizeiangaben mindestens 16 der mutmaßlichen Täter Männer aus höheren Kasten. Sollte ihnen eine Schuld nachgewiesen werden, drohen ihnen aufgrund der bestehenden Gesetze zum Schutz von benachteiligten Gruppen härtere Strafen.
Opfer in Schutzunterkunft – langer Rechtsweg erwartet
Die junge Frau lebt inzwischen in einer Schutzunterkunft und erhält psychologische Betreuung. Auch ihre Mutter wird beraten und hat die Möglichkeit, in einem Frauenhaus unterzukommen.
Der Gerichtsprozess könnte jedoch Jahre dauern. Indiens Justizsystem weist eine der niedrigsten Verurteilungsraten bei Vergewaltigungen auf: Nur 27 % der Fälle führten 2022 zu einer Verurteilung.
Dennoch sehen einige Aktivisten die Tatsache, dass dieser Fall überhaupt ans Licht gekommen ist, als ein positives Zeichen. „Andernfalls wäre dies einfach weitergegangen – vielleicht für Jahre, ohne dass ihr jemand geholfen hätte“, betonte Aktivistin Cynthia Stephen.
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