Startseite Allgemeines Hier folgt eine kritische, aber faire Bilanzanalyse der FINVIA Family Office GmbH, Frankfurt am Main, für das Geschäftsjahr 2023 
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Hier folgt eine kritische, aber faire Bilanzanalyse der FINVIA Family Office GmbH, Frankfurt am Main, für das Geschäftsjahr 2023 

geralt (CC0), Pixabay
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FINVIA Family Office GmbH: Wachstum auf Kosten der Substanz – bilanziell überschuldet, aber nicht insolvenzreif

1. Überblick und Ausgangslage

Die FINVIA Family Office GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main ist Teil der FINVIA-Gruppe, die vermögende Privatkunden, Unternehmerfamilien und Stiftungen im Bereich Vermögensverwaltung, Investmentstrategie und Family-Office-Dienstleistungen betreut.

Das Unternehmen weist für das Jahr 2023 einen erheblichen Jahresfehlbetrag von 3,24 Mio. € aus. Noch gravierender:
Zum Bilanzstichtag 31.12.2023 ergibt sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 1,3 Mio. € – also eine bilanzielle Überschuldung.

Damit ist das Eigenkapital vollständig aufgezehrt und die Gesellschaft bilanziell im negativen Bereich.

2. Bilanzanalyse im Detail

Bilanzsumme und Vermögensstruktur

Position 31.12.2023 31.12.2022 Veränderung
Bilanzsumme 2,84 Mio. € 2,33 Mio. € +21 %
Umlaufvermögen 1,53 Mio. € 2,33 Mio. € −34 %
Forderungen 1,40 Mio. € 1,22 Mio. € +15 %
Liquide Mittel 0,13 Mio. € 1,12 Mio. € −88 %

Analyse:
Die Bilanzsumme ist leicht gestiegen, doch die Struktur hat sich deutlich verschlechtert. Während Forderungen zunahmen, sanken die liquiden Mittel dramatisch. Eine Liquiditätsreserve von nur 134.000 € ist für ein Unternehmen dieser Größe mit 26 Mitarbeitenden äußerst knapp. Das spricht für anhaltend hohen Mittelabfluss und geringe operative Erträge.

Kapitalstruktur und Eigenkapital

Position 31.12.2023 31.12.2022
Gezeichnetes Kapital 25.000 € 25.000 €
Kapitalrücklage 8,74 Mio. € 7,14 Mio. €
Verlustvortrag −6,83 Mio. € −3,18 Mio. €
Jahresfehlbetrag −3,24 Mio. € −3,65 Mio. €
Nicht gedeckter Fehlbetrag −1,30 Mio. €
Eigenkapital gesamt 0,00 € 333.000 €

Analyse:
Die Gesellschaft hat ihre Kapitalrücklage um 1,6 Mio. € erhöht – vermutlich durch Gesellschafterzuführung. Dennoch konnte der Jahresverlust von 3,2 Mio. € das Eigenkapital vollständig aufzehren.

Die Verlusthistorie ist bemerkenswert:
Seit Gründung hat die FINVIA Family Office GmbH noch keinen Gewinn erzielt. Insgesamt belaufen sich die kumulierten Verluste auf über 10 Mio. €.

Das Unternehmen ist damit bilanztechnisch überschuldet, da das Fremdkapital das Vermögen übersteigt.

Verbindlichkeiten und Finanzierungsstruktur

Position 2023 2022 Veränderung
Verbindlichkeiten gesamt 2,45 Mio. € 1,87 Mio. € +31 %
Davon Gesellschafterdarlehen 1,37 Mio. € 1,55 Mio. € −12 %
Rückstellungen 0,38 Mio. € 0,13 Mio. € +195 %

Analyse:
Etwa die Hälfte der Passivseite wird durch Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschafterin (FINVIA Holding GmbH) getragen. Diese Gesellschafterdarlehen sind de facto das Rückgrat der Finanzierung.

Ohne diese Finanzierungsunterstützung wäre die Gesellschaft nicht in der Lage, ihren laufenden Betrieb fortzuführen.

Die Rückstellungen haben sich deutlich erhöht – wahrscheinlich für Personal, Prüfungs- und Beratungsaufwand – ein Indikator für höhere laufende Verpflichtungen.

3. Ergebnisanalyse

Die Gesellschaft schreibt fortgesetzt Verluste. Der Jahresfehlbetrag von 3,24 Mio. € bedeutet eine Reduktion der Verluste gegenüber dem Vorjahr (−3,65 Mio. €), was auf leichte Effizienzsteigerungen oder höhere Umsätze schließen lässt.

Allerdings bleibt die Profitabilität weit entfernt von der Gewinnschwelle. Bei einer Bilanzsumme von 2,8 Mio. € sind jährliche Verluste in Millionenhöhe auf Dauer nicht tragfähig ohne externe Finanzierung.

4. Bewertung der Lage

Die Geschäftsführung betont im Anhang, dass:

„… die Fortführung der Gesellschaft von der weiteren Finanzierung durch die Gesellschafterin abhängig ist.“

Damit bestätigt FINVIA selbst die Abhängigkeit von Kapitalzuführungen.

Die geplante Kapitalrücklage von 6 Mio. € bis Ende 2024 soll die bilanziell negative Eigenkapitalposition beseitigen. Das ist ein übliches Vorgehen in Wachstumsphasen junger Finanzunternehmen.

Gleichzeitig erkennt die Geschäftsführung eine „wesentliche Unsicherheit hinsichtlich der Fortführung der Unternehmenstätigkeit“ – ein Formulierung, die in der Rechnungslegungspraxis auf erhöhte Insolvenzgefahr hinweist, falls die Finanzierung durch den Gesellschafter ausbleibt.

5. Bilanzielle Überschuldung vs. insolvenzrechtliche Überschuldung

Bilanzielle Überschuldung

  • Liegt vor, wenn das Eigenkapital negativ ist (d. h. die Schulden das Vermögen übersteigen).
  • Es handelt sich um eine rein rechnerische Größe in der Handelsbilanz.
  • Beispiel:
    Eigenkapital = −1,3 Mio. € → bilanzielle Überschuldung.
  • Diese Situation muss nicht automatisch zur Insolvenz führen, solange der Betrieb fortgeführt und durch Finanzierung gedeckt werden kann.

Insolvenzrechtliche Überschuldung (§ 19 InsO)

  • Maßgeblich für die Insolvenzantragspflicht.
  • Sie liegt nur dann vor, wenn:
    1. Das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt, und
    2. keine positive Fortführungsprognose besteht.
  • Wenn also die Geschäftsführung begründet erwarten darf, dass das Unternehmen mittelfristig fortgeführt werden kann (z. B. durch verbindliche Finanzierungszusagen der Gesellschafterin), liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor – auch wenn bilanziell das Eigenkapital negativ ist.

➡️ Kurz gesagt:

Bilanzielle Überschuldung = rechnerisches Minus
Insolvenzrechtliche Überschuldung = rechtliches Risiko bei fehlender Fortführungsprognose

Im Fall der FINVIA Family Office GmbH besteht bilanzielle Überschuldung,
aber (noch) keine insolvenzrechtliche,
da die Gesellschafterin verbindlich Kapitalnachschüsse zugesagt hat und eine Fortführung des Geschäftsbetriebs wahrscheinlich ist.

6. Kritische Würdigung

Positiv:

  • Hohes Engagement der Gesellschafterin – Kapitalzuführung in Millionenhöhe.
  • Transparente Darstellung der Risiken im Anhang.
  • Professionelles Rechnungswesen und klare Governance-Struktur.

Kritisch:

  • Fortgesetzte Verlustserie (seit Gründung keine Gewinne).
  • Hohe Abhängigkeit von Gesellschafterfinanzierung.
  • Sehr geringe Liquidität.
  • Keine erkennbare operative Rentabilität.

Das Geschäftsmodell „Family Office as a Service“ erfordert hohe Anfangsinvestitionen in Personal, Systeme und Markenaufbau – die Rentabilität tritt oft erst nach Jahren ein. Dennoch ist das Ausmaß der Verluste bemerkenswert und erhöht das Risiko, dass die Gesellschaft ohne ständige Finanzspritzen nicht überlebensfähig wäre.

7. Fazit

Die FINVIA Family Office GmbH befindet sich in einer kritischen, aber noch beherrschbaren finanziellen Lage.
Die Bilanz weist eine bilanziell negative Eigenkapitalposition auf, die jedoch durch Kapitalnachschüsse der Muttergesellschaft voraussichtlich kompensiert wird.

Solange die Gesellschafterin die Finanzierung sicherstellt, besteht keine insolvenzrechtliche Überschuldung – wohl aber ein anhaltendes Geschäftsrisiko aufgrund unprofitabler Strukturen.

Kurzbewertung:

Kategorie Einschätzung
Bilanzielle Stabilität kritisch (Überschuldung)
Liquidität sehr schwach
Ertragslage defizitär
Gesellschafterunterstützung stark, aber erforderlich
Insolvenzgefahr (rechtlich) aktuell nicht gegeben, aber abhängig von Gesellschafterzusage
Fortführungsprognose nur mit Kapitalzuführung positiv

Zusammenfassung:

Die FINVIA Family Office GmbH ist ein klassisches Beispiel für ein wachstumsorientiertes Finanzunternehmen in der Aufbauphase – mit einer Bilanz, die buchhalterisch überschuldet ist, aber durch starke Gesellschafterunterstützung überlebensfähig bleibt.
Der Fortbestand hängt jedoch unmittelbar davon ab, dass die geplanten Kapitalzuführungen tatsächlich erfolgen – andernfalls würde aus bilanzieller schnell eine insolvenzrechtliche Überschuldung.

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