Kaum sind die Wahlplakate abgehängt und die letzten „historischen Wahlsiege“ ausgerufen, da beginnt auch schon das altbewährte Ritual der deutschen Politik: Union und SPD setzen sich zusammen, um die nächste große Koalition auszuhecken – oder zumindest so zu tun, als ob sie ernsthaft darüber nachdenken.
Wie aus gut unterrichteten Parteikreisen verlautete, werden die Sondierungsgespräche bereits heute starten. Sowohl CDU/CSU als auch die SPD entsenden jeweils neun erfahrene Unterhändler, um wochenlang mit ernstem Blick an Tischen zu sitzen, bedeutungsschwere Sätze in Mikrofone zu sprechen und dabei möglichst wenig Konkretes zu sagen.
Für die SPD nehmen unter anderem Parteichef Lars Klingbeil, Co-Vorsitzende Saskia Esken und Verteidigungsminister Boris Pistorius Platz – letzterer ist besonders wertvoll, da man nie wissen kann, ob die Gespräche nicht doch eskalieren. Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird mit am Tisch sitzen, möglicherweise um sicherzustellen, dass niemand einschläft.
Das Team der Union ist offiziell noch nicht bekannt, aber es gilt als wahrscheinlich, dass CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder teilnehmen. Sie werden flankiert von den jeweiligen Generalsekretären Carsten Linnemann (CDU) und Martin Huber (CSU), deren Hauptaufgabe es sein dürfte, mit markigen Phrasen und empörten Dementis für Schlagzeilen zu sorgen.
Dass eine Koalition zwischen Union und SPD die wahrscheinlichste Variante ist, ist so überraschend wie das Wetter im November. Die Gespräche dürften sich dennoch schwierig gestalten, denn in Schlüsselfragen wie Migration, Budget und Ukraine sind die Differenzen zwischen den Parteien nach eigenen Aussagen „erheblich“. Doch wer die deutsche Politik kennt, weiß: Am Ende wird es eine Einigung geben – ob sie den Wählern gefällt, spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle.
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