Wenn die Menschen in Griechenland auf die Straße gehen, dann richtig. Und diesmal war es nicht wegen steigender Preise für Feta oder Ouzo, sondern wegen 57 toten Menschen, die vor zwei Jahren in einem Zug saßen, der eigentlich nie hätte entgleisen dürfen.
Selbst während der brutalsten Jahre der Finanzkrise hat es nicht so viele Demonstranten gegeben – ein beeindruckender Rekord, den sich die Regierung Mitsotakis nun auf die Fahnen schreiben kann. Hunderttausende waren auf den Straßen, allein in Athen rund 170.000 Menschen, um daran zu erinnern, dass die Verantwortlichen für die Katastrophe von Tempi immer noch ungeschoren davongekommen sind.
„Vertuschung? Wir? Niemals!“ – Die Kunst des politischen Wegduckens
Doch warum so aufgeregt? Premier Kyriakos Mitsotakis versicherte auf Facebook (weil das ja bekanntermaßen das Zentrum staatlicher Krisenkommunikation ist), dass seine Regierung „ihren Beitrag leisten werde, um das Eisenbahnnetz zu modernisieren und sicherer zu machen.“
Ach wirklich? In den letzten zwei Jahren wurde also fleißig modernisiert? Interessanterweise sieht der offizielle Unfallbericht das ein bisschen anders:
- Die Bahn war in einem desolaten Zustand – was jeder Pendler schon lange wusste.
- Der Bahnvorsteher war überfordert und unqualifiziert, schickte den Zug auf das falsche Gleis – und niemand hat das verhindert.
- Sicherheitstechnik? Fehlanzeige! Wer braucht schon funktionierende Systeme, wenn man beten kann?
- Beweismaterial? Weg! Teile der Unglücksstelle wurden zementiert, damit Kräne besser arbeiten konnten. Und wenn dabei ein paar Beweise verschwunden sind – na und?
Wenn du nichts siehst, kannst du auch nichts aufklären!
Die Menschen, die nun zu Hunderttausenden skandieren „Nein zur Vertuschung!“, haben wohl einfach die falsche Einstellung. Anstatt die Regierung endlich in Ruhe ihre PR-Strategie entwickeln zu lassen, erwarten sie tatsächliche Konsequenzen. Wie realitätsfern!
Selbstständige, Unternehmer und sogar Theater schlossen sich dem Protest an – die Bevölkerung steht parteiübergreifend auf. Das ist bemerkenswert, denn üblicherweise kann man sich in Griechenland nicht mal auf die beste Gyros-Zubereitung einigen.
Aber warum so emotional? Weil niemand zur Verantwortung gezogen wurde. Zwei Jahre nach dem schlimmsten Zugunglück des Landes gibt es keine Urteile, keine klaren Konsequenzen, nur leere Versprechen.
Und jetzt? Abwarten, Tee trinken und hoffen, dass alle müde werden?
Die Regierung setzt darauf, dass sich der Protest legt, wie sich auch jede Empörung irgendwann totläuft. Doch diesmal könnte es anders sein. Die Menschen fordern mehr als ein paar Alibi-Maßnahmen und vage Facebook-Postings.
Werden die Verantwortlichen tatsächlich bestraft? Wird das Bahnnetz modernisiert? Wird das System, das so viel Leid verursacht hat, jemals reformiert?
Oder bleibt es am Ende wieder nur bei einem traurigen griechischen Klassiker: „Was gewesen ist, ist gewesen.“
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