Nach Jahren voller politischer Grabenkämpfe, vertagter Entscheidungen und wirkungsloser Ankündigungen scheint sich Österreich nun ernsthaft daran zu machen, den Glücksspielsektor neu zu ordnen. Die APA berichtet, dass in den kommenden Wochen ein neuer Gesetzesentwurf präsentiert werden soll – ein Schritt, auf den Brancheninsider, Kritiker und Spielerschützer gleichermaßen gewartet haben. Wenn die politische Dynamik hält, könnte das Gesetz noch im ersten Halbjahr 2026 beschlossen werden.
Warum jetzt plötzlich Bewegung in die Sache kommt
Die Zeit drängt: 2027 laufen die wichtigsten Konzessionen aus, darunter jene für Lotterien, das Onlineglücksspiel und sechs stationäre Casinos. Ein regulatorisches Vakuum wäre nicht nur politisch peinlich, sondern würde den ohnehin großen Graumarkt weiter stärken.
Die frühere ÖVP-Grünen-Regierung war noch dramatisch an der Idee einer eigenständigen Glücksspielbehörde gescheitert – Streitpunkte, Misstrauen und die Frage nach der Kontrolle ließen das Projekt kollabieren. Vor allem die Frage der Spielerschutzmechanismen spaltete die damalige Koalition.
Dieses Mal jedoch scheint es anders: Zwischen ÖVP und SPÖ herrscht ungewöhnliche Einigkeit, insbesondere beim Thema Spielerschutz. Sowohl ÖVP-Budgetsprecher Andreas Hanger als auch SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer betonen, dass ein moderner Glücksspielmarkt nur mit klaren Regeln und starken Schutzmaßnahmen funktionieren kann.
Onlineglücksspiel bleibt der größte Problemherd
Dass gerade das Onlineglücksspiel im Zentrum der Reform stehen wird, liegt auf der Hand:
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Derzeit besitzt ausschließlich die Österreichischen Lotterien GmbH eine gültige Konzession.
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Parallel dazu tummeln sich Dutzende internationale Anbieter auf dem Markt.
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Einige sind in EU-Ländern lizenziert und zahlen zumindest Steuern und Abgaben.
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Viele andere dagegen operieren komplett ohne Konzession, ohne Steuern – und ohne Rücksicht auf Suchtprävention oder Jugendschutz.
Das Ergebnis ist ein zweigeteilter Markt, der weder für Spieler noch für den Staat zufriedenstellend funktioniert.
Zentrale Frage: Wie viele Lizenzen soll es geben?
Ein besonders heißes Eisen wird die Entscheidung darüber sein, ob die Zahl der Lizenzen:
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streng begrenzt,
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erweitert,
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oder gar nicht begrenzt werden soll.
Hier wird es zu intensiven politischen Diskussionen kommen, denn jede der drei Varianten hätte völlig unterschiedliche Auswirkungen auf Marktstruktur, Wettbewerbsdruck, Steuereinnahmen und den Spielerschutz.
IP-Blocking und Payment-Blocking: Abschottung oder notwendiges Werkzeug?
Auch technisch wird die Reform kein Selbstläufer. Geplant ist eine Debatte über Maßnahmen wie:
IP-Blocking:
Nicht lizenzierte Glücksspielseiten sollen in Österreich schlicht nicht mehr erreichbar sein. Kritiker halten dagegen, dass technisch versierte Nutzer dies leicht umgehen können.
Payment-Blocking:
Österreichische Banken sollen keine Einzahlungen an unlizenzierte Anbieter mehr durchführen dürfen. Damit würde man den „Graumarkt“ finanziell austrocknen.
Beide Maßnahmen sind international umstritten – werden aber von Befürwortern als unverzichtbar betrachtet, um einen regulierten Markt überhaupt durchsetzbar zu machen.
Fazit: Eine Reform, die längst überfällig ist
Die Glücksspielbranche in Österreich ist seit Jahren ein Flickenteppich aus Sonderlösungen, politischen Kompromissen und regulatorischen Lücken. Der neue Entwurf bietet die Chance, Ordnung in den Markt zu bringen – und gleichzeitig Spieler vor den Risiken eines völlig unkontrollierten Onlineangebots zu schützen.
Doch ob es wirklich gelingt, hängt weniger vom Inhalt des Gesetzes ab, sondern von der Bereitschaft der Parteien, dieses Mal nicht wieder kurz vor Schluss alles scheitern zu lassen.
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