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„Gesunde Gewinne oder hohes Risiko?“ – Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime über Investments in Nahrungsergänzungsmittel

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Die Werbung klingt verheißungsvoll: 6 % fester Zins, bis zu 15 % Gewinnbeteiligung und das Ganze im boomenden Milliardenmarkt der Nahrungsergänzungsmittel. Doch was steckt wirklich hinter solchen Angeboten? Und worauf sollten Verbraucher achten, bevor sie investieren? Wir haben Rechtsanwalt Jens Reime – Experte für Kapitalanlagerecht – um eine Einschätzung gebeten.


Redaktion: Herr Reime, aktuell werben Unternehmen aus dem Bereich Nahrungsergänzungsmittel mit hohen Renditen und einem angeblich krisensicheren Investment. Was denken Sie, wenn Sie solche Angebote sehen?

Jens Reime: Mein erster Impuls ist immer: Klingt zu gut, um ohne Risiko zu sein. Gerade weil hier mit festen Zinsen und Gewinnbeteiligungen in zweistelliger Höhe geworben wird, muss man als Anleger sehr genau hinschauen – insbesondere, wenn es sich um junge Unternehmen handelt, zu denen noch keine belastbaren Finanzdaten vorliegen.

Redaktion: In diesem konkreten Fall ist das Unternehmen laut Impressum sehr jung – also gibt es auch keine veröffentlichten Bilanzen. Ist das ein Problem?

Reime: Absolut. Das Fehlen einer Bilanz heißt: Es gibt keine öffentliche Auskunft über die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens. Als Anleger investiert man also blind. Weder Umsatzentwicklung noch Verschuldung noch die tatsächliche Rentabilität sind bekannt. Das ist in etwa so, als würde man in ein Start-up investieren, ohne den Businessplan gelesen zu haben.

Redaktion: Der Anbieter verspricht 6 % Grundverzinsung plus 15 % Gewinnbeteiligung. Ist das realistisch?

Reime: Theoretisch ist alles möglich – praktisch stellt sich die Frage: Woher kommen diese Renditen? Nahrungsergänzungsmittel mögen hohe Margen haben, aber das heißt nicht automatisch, dass das Unternehmen profitabel arbeitet. Und gerade bei jungen Firmen fehlt oft die operative Erfahrung, um diese Gewinne langfristig zu sichern. Zudem gibt es einen harten Wettbewerb in der Branche – man ist also schnell austauschbar.

Redaktion: Was sagt der gesetzliche Warnhinweis, dass „ein vollständiger Verlust des eingesetzten Vermögens“ möglich ist?

Reime: Das ist der entscheidende Punkt. Diese Art von Investment fällt unter das Vermögensanlagengesetz und ist mit einem Totalverlustrisiko behaftet. Viele Anleger übersehen das gerne, weil die Werbeversprechen so rosig sind. Aber rein rechtlich gesehen handelt es sich hier nicht um eine Bankeinlage oder einen sicheren Sparplan – sondern um ein unternehmerisches Risiko mit ungewissem Ausgang.

Redaktion: Der Anbieter betont seine innovativen Produktionsstandards, direkte Vertriebswege und einen Bodybuilder-Chemiker als Geschäftsführer. Reicht das aus, um Vertrauen zu schaffen?

Reime: Gute PR ersetzt keine Finanzkennzahlen. Natürlich ist Fachkompetenz im Management wichtig. Aber für Investoren zählt am Ende: Wie tragfähig ist das Geschäftsmodell? Wie sieht die Kapitalstruktur aus? Gibt es Sicherheiten? Nur wer das objektiv prüfen kann – oder prüfbare Zahlen vorliegen hat – sollte ernsthaft Geld investieren.

Redaktion: Worauf sollten Anleger besonders achten, wenn sie über eine Beteiligung nachdenken?

Reime: Zuerst: Immer das Unternehmensregister prüfen – existieren Bilanzen, wie lange ist die Firma aktiv, wer steckt dahinter? Zweitens: Den Verkaufsprospekt genau lesen, falls vorhanden – dort stehen oft Details zu Risiken, die in der Werbung verschwiegen werden. Drittens: Niemals aufgrund von Hochglanzversprechen oder emotionaler Sprache entscheiden. Und viertens: Bei Unsicherheit einen spezialisierten Anwalt oder einen seriösen Finanzberater konsultieren.

Redaktion: Ihr Fazit in einem Satz?

Reime: Wer mit 6 % Festzins und 15 % Gewinnbeteiligung in ein junges Unternehmen investiert, sollte sich bewusst sein, dass er nicht in Vitamine, sondern in ein Hochrisiko-Projekt investiert – mit der realen Möglichkeit, sein Kapital komplett zu verlieren.

Redaktion: Vielen Dank für Ihre Einschätzung, Herr Reime.


Hinweis für unsere Leser:
Investments in neue, wachstumsstarke Märkte können Chancen bieten – bergen aber auch erhebliche Risiken. Wer in den Gesundheitsmarkt einsteigen möchte, sollte sein Portfolio breit aufstellen, sich umfassend informieren und niemals das Sicherheitsgefühl durch Werbesprache mit echter Sicherheit verwechseln.

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