Das aktuelle Lagebild dokumentiert Straftaten, die aus Vorurteilen gegenüber Frauen begangen werden oder überwiegend Frauen als Opfer betreffen. Ziel ist es, eine verlässliche und aussagekräftige Datenbasis zu schaffen, um geschlechtsspezifische Gewalt sichtbar zu machen und gezielte Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung und Prävention zu unterstützen.
Zentrale Erkenntnisse 2024
-
Politisch motivierte frauenfeindliche Straftaten:
558 Delikte wurden registriert – ein Anstieg um 73,3 % im Vergleich zu 2023. -
Sexualdelikte:
53.451 weibliche Opfer wurden erfasst (+2,1 %). 85,9 % der Opfer aller Sexualstraftaten sind weiblich. -
Häusliche Gewalt:
187.128 betroffene Frauen – ein Zuwachs um 3,5 %. -
Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung:
593 betroffene Frauen (+0,3 %). -
Digitale Gewalt:
18.224 Frauen waren betroffen (+6,0 %). -
Tötungsdelikte im Kontext Partnerschaftsgewalt:
308 weibliche Opfer – ein Rückgang um 9,4 %.
Detaillierte Einblicke
1. Frauenfeindliche Straftaten
Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität zeigen die Zahlen einen besorgniserregenden Anstieg:
558 Straftaten wurden 2024 registriert (+73,3 %). Knapp die Hälfte entfällt auf Beleidigungen, 39 Fälle waren Gewaltdelikte – überwiegend Körperverletzungen. Ein versuchtes Tötungsdelikt wurde ebenfalls erfasst.
2. Sexualdelikte
Von 53.451 erfassten weiblichen Opfern waren knapp die Hälfte minderjährig.
Die häufigsten Delikte waren:
-
Sexuelle Belästigung (36,4 %)
-
Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und Übergriffe (35,7 %)
-
Sexueller Missbrauch (27,5 %)
Die Mehrheit der Tatverdächtigen war männlich, über ein Viertel unter 21 Jahre alt.
3. Häusliche Gewalt
Häusliche Gewalt umfasst sowohl Partnerschafts- als auch Familiengewalt.
2024 waren 70,4 % der Opfer weiblich. Es wurden 187.128 betroffene Frauen und 152.812 Tatverdächtige erfasst.
4. Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung
91,5 % der 593 registrierten Opfer waren Frauen.
Besonders perfide ist die sogenannte „Loverboy-Methode“, bei der Täter junge Frauen unter dem Vorwand einer Beziehung emotional abhängig machen, um sie später zur Prostitution zu zwingen.
5. Digitale Gewalt
Digitale Gewalt nimmt zu und betrifft überdurchschnittlich oft Frauen und Mädchen.
2024 waren 18.224 Frauen betroffen – darunter 33,6 % Minderjährige.
Formen digitaler Gewalt:
-
Cyberstalking (digitale Nachstellung)
-
Cybergrooming (sexuelle Kontaktanbahnung zu Minderjährigen)
Digitale Gewalt tritt häufig zusammen mit analoger Gewalt auf und kann zu schweren psychischen Folgen führen.
6. Tötungsdelikte im Kontext Partnerschaftsgewalt
308 Frauen wurden im Jahr 2024 Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten durch (Ex-)Partner.
Sie machen damit 80,6 % aller Opfer in diesem Bereich aus.
Hinweis zum Begriff „Femizid“:
Da es keine bundeseinheitliche Definition gibt, werden Femizide in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht gesondert ausgewiesen. Dennoch zeigen die Zahlen deutlich, dass Frauen im Kontext von Partnerschaften überproportional häufig von tödlicher Gewalt betroffen sind.
Mögliche Ursachen geschlechtsspezifischer Gewalt
-
Ablehnung von Gleichberechtigung:
Traditionelle Rollenbilder und die Angst vor weiblicher Emanzipation begünstigen aggressive Einstellungen gegenüber Frauen. -
Verstärkung durch das Internet:
Online verbreitete Hassbotschaften, Desinformation und extremistische Ideologien können frauenfeindliche Gewaltbereitschaft zusätzlich fördern.
Maßnahmen und Projekte des Bundeskriminalamtes (BKA)
1. Projekt „Frauenfeindlichkeit im Internet“ (2022–2024)
Ermittlungen gegen 187 Nutzer führten in 71 % der Fälle zur Identifizierung Tatverdächtiger. Besonders im Fokus: bildbasierte sexualisierte Gewalt (bbsG) und Verbindungen zu politischem Extremismus.
2. Menschenhandel / Projekt „THB Liberi“
Ziel: Austausch, Prävention und gezielte Polizeiarbeit im Bereich sexueller Ausbeutung.
3. Kampagne „Fake Love“
Aufklärung junger Frauen über manipulative Methoden von Menschenhändlern, insbesondere Loverboys.
4. Beteiligung an „IdentifyMe“
Internationale Kampagne zur Identifizierung unbekannter weiblicher Tötungsopfer – bislang vier erfolgreiche Fälle.
5. Sexualstraftaten an sedierten Frauen
Missbrauch durch Betäubungsmittel, meist im familiären oder bekannten Umfeld. Die Täter nutzen medizinische Substanzen – oft kombiniert mit Alkohol –, um das Bewusstsein der Opfer zu manipulieren. Die Folgen sind oft schwerwiegend und lebensgefährlich.
Kriminologische Forschung des BKA
Studie „LeSuBiA“ – Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag
-
Partnerschafts-, sexualisierte und digitale Gewalt stehen im Fokus.
-
Dunkelziffer hoch: Anzeigequote meist unter 10 %, bei Partnerschaftsgewalt sogar unter 5 %.
-
Frauen häufiger betroffen und häufiger von mehreren Gewaltformen.
-
Häufige Kindheitserfahrungen mit Gewalt: Über 50 % der Befragten berichteten von Gewalterfahrungen durch Eltern oder Erziehungsberechtigte.
Fazit
Trotz erhöhter Sensibilisierung, besserer Präventionsangebote und verbesserter Strafverfolgung bleibt geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen ein massives gesellschaftliches Problem in Deutschland. Die vorgelegten Zahlen zeigen eine alarmierende Realität: Gewalt gegen Frauen ist vielschichtig, systemisch und oft tief im sozialen Gefüge verankert.
Ein effektiver Schutz von Frauen erfordert:
-
flächendeckende Prävention,
-
konsequente Strafverfolgung,
-
intensive Bildungsarbeit und
-
einen Wandel gesellschaftlicher Einstellungen hin zu echter Gleichberechtigung.
Kommentar hinterlassen