Es ist ein Treffen mit Symbolkraft: Deutschlands neuer Bundeskanzler Friedrich Merz betritt erstmals das Oval Office, um US-Präsident Donald Trump persönlich zu begegnen. Die Begegnung kommt in einer geopolitisch angespannten Lage – mit offenen Fragen zur NATO-Zukunft, transatlantischem Freihandel und dem Umgang mit autoritären Strömungen.
Starke Worte, klare Kante
Friedrich Merz ist nicht als Diplomat bekannt, sondern als Klartext-Politiker. Seit seinem Amtsantritt im Mai 2025 positioniert er Deutschland als militärisch und politisch selbstbewussteren Player – mit Blick auf mehr Unabhängigkeit von den USA. Bereits in der Wahlnacht im Februar hatte er angekündigt, Europa „so schnell wie möglich zu stärken“, um sich Schritt für Schritt von Washington zu emanzipieren.
Dass Merz und Trump sich dennoch an einen Tisch setzen, ist kein Selbstläufer. Zwischen beiden Ländern gab es zuletzt Spannungen – unter anderem wegen der deutschen Einstufung der AfD als „rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz. US-Vizepräsident J.D. Vance und Außenminister Marco Rubio reagierten empört: Das sei „Tyrannei im Gewand der Demokratie“. Merz konterte unmissverständlich: „Wir brauchen keine Nachhilfe in Sachen Demokratie.“
Transatlantisches Porzellan und deutsches Militärbudget
Trotz solcher Reibungen ist das Treffen von großer Bedeutung. Deutschland bleibt wirtschaftlich und sicherheitspolitisch ein Eckpfeiler Europas – und Merz signalisiert Gesprächsbereitschaft. So kündigte er nicht nur eine Einladung an Trump nach Deutschland an, sondern befürwortete auch Trumps langjährige Forderung: eine massive Erhöhung der NATO-Verteidigungsausgaben – auf bis zu 5 % des BIP.
Merz’ Vorgeschichte als Chef der transatlantischen Denkfabrik „Atlantik-Brücke“ und sein Engagement bei US-Investmentriesen wie BlackRock zeigen: Er versteht die amerikanische Perspektive – und weiß, wie man sich Gehör verschafft.
Zwischen Macron-Modell und Berliner Realismus
Beobachter erwarten dennoch kein Kuscheltreffen. Vielmehr geht es Merz darum, auf Augenhöhe mit Washington zu agieren. „Friedrich Merz ist kein Schönredner, sondern sagt, was er denkt“, sagt der frühere deutsche US-Botschafter Wolfgang Ischinger. Das könnte Trump beeindrucken – oder verärgern.
Dass Merz in der Nachfolge von Scholz auch außenpolitisch neue Akzente setzt, zeigte sich jüngst in Kiew: Gemeinsam mit Macron, Starmer und Tusk sicherte er der Ukraine europäische Unterstützung zu – ohne Absprache mit den USA.
Fazit: Partnerschaft mit Distanz?
Merz will Stärke zeigen – und gleichzeitig Nähe signalisieren. Für Deutschland bedeutet das eine Gratwanderung: ohne die USA geht es (noch) nicht, doch blindes Vertrauen ist passé. Die heutige Begegnung könnte den Kurs dieser transatlantischen Beziehung neu definieren – entweder in Richtung pragmatischer Kooperation oder in Richtung eisiger Zweckgemeinschaft.
Fest steht: Wenn es nach Merz geht, soll Deutschland künftig nicht nur am Tisch sitzen – sondern den Tisch mitbauen.
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