In Großbritannien greifen immer mehr Menschen bei finanziellen Engpässen nicht zu Kredit-Apps, sondern bitten Familie oder Freunde um Hilfe. Laut einer neuen Umfrage der gemeinnützigen Organisation Fair4All Finance, die exklusiv von der BBC veröffentlicht wurde, haben 26 % der Befragten in diesem Jahr Geld von Familienmitgliedern geliehen – mehr als von jedem anderen Kreditmodell.
Zum Vergleich: 25 % der Teilnehmenden nutzten einen „Buy Now, Pay Later“-Dienst (BNPL), also Anbieter, die Einkäufe auf Raten ermöglichen, während 15 % angaben, sich von Freunden Geld geliehen zu haben.
Der Grund ist oft simpel: Viele Menschen werden von klassischen Banken oder Online-Kreditplattformen abgelehnt, wenn sie kurzfristig Geld brauchen. Besonders betroffen sind niedrigere Einkommen, junge Familien oder Alleinerziehende.
Hilfe in der Not – aber nicht ohne Risiko
Für viele ist der Griff zum privaten Umfeld überlebenswichtig.
So erzählt Carla McLoughlin, 42, Mutter von drei Kindern:
„Ich leihe mir manchmal kleine Summen von meiner Mutter – einfach, um über die Runden zu kommen, bis der nächste Lohn kommt.“
Die Beträge bleiben meist überschaubar: In den meisten Fällen lag die geliehene Summe unter 250 Pfund.
Doch so harmlos das klingt – Geldgeschäfte unter Freunden oder in der Familie sind emotional aufgeladen. Laut Umfrage sagten 9 % der Befragten, die sich Geld von Verwandten geliehen hatten, dass dies die Beziehung belastet habe. Bei Freundschaften lag der Anteil mit 17 % fast doppelt so hoch.
Und selbst im privaten Umfeld bleibt das Thema Zinsen nicht außen vor:
16 % derjenigen, die von Freunden Geld liehen, und 8 % derjenigen, die bei der Familie anfragten, mussten Zinsen zahlen.
„Man ist ständig hinterher“
Carla McLoughlins Mutter, Val Lucus (63), hat schon mehrfach Geld innerhalb der Familie verliehen – nicht immer mit gutem Ausgang.
„Manchmal bekommt man es einfach nicht zurück. Dann fängt das Nachhaken an – und das ist unangenehm“, sagte sie gegenüber der BBC.
Solche Spannungen zeigen, dass finanzielle Notlagen längst nicht nur ein wirtschaftliches Problem sind – sie belasten auch soziale Beziehungen.
Zwischen Abhängigkeit und Alternativen
Während „Buy Now, Pay Later“-Dienste wegen mangelnder Regulierung und Überschuldungsrisiken in der Kritik stehen, offenbart die Studie ein anderes Problem:
Viele Menschen haben schlicht keinen Zugang zu fairen Krediten.
Fair4All Finance fordert daher mehr niedrigschwellige, transparente Finanzangebote, insbesondere für Menschen mit schwacher Bonität.
Die Organisation betont, dass soziale Netzwerke kein Ersatz für ein funktionierendes, faires Finanzsystem sein dürfen.
Denn ob Ratenkauf oder Leihgabe von der Mutter – beide Wege zeigen, wie viele Haushalte heute am Rand ihrer finanziellen Belastungsgrenze stehen.
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