Es ist ein Bild, das auf den ersten Blick überrascht: Frankreich und Spanien, einst ökonomisch ungleich gewichtet, stehen heute bei den großen Ratingagenturen auf Augenhöhe. Doch dieser Gleichstand trügt. Während Spanien – lange als Sorgenkind der Eurokrise verschrien – seine Staatsfinanzen erfolgreich konsolidiert, gleitet Frankreich immer tiefer in einen Strudel aus wachsender Verschuldung und politischer Handlungsunfähigkeit. Der Schuldenkompass der beiden Länder zeigt in entgegengesetzte Richtungen.
Spanien: Vom Sanierungsfall zur Stabilitätsgröße
Noch vor gut einem Jahrzehnt stand Spanien am Rand des finanziellen Zusammenbruchs. Die geplatzte Immobilienblase 2008 stürzte das Land in eine schwere Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit explodierte, Banken wurden mit einem 100-Milliarden-Euro-Paket der Eurogruppe gestützt, die Bonität Spaniens stürzte fast ins Ramschniveau ab.
Doch die spanische Politik zog die Reißleine. Ab 2012 folgten tiefgreifende Reformen: Steuererhöhungen, schmerzhafte Kürzungen im öffentlichen Dienst, Einschnitte bei Sozialleistungen und eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkts – all das schuf die Basis für eine langsame, aber nachhaltige wirtschaftliche Erholung. Heute wächst Spaniens Wirtschaft mit rund 2,6 Prozent, das Haushaltsdefizit sinkt, und die Schuldenquote – wenngleich noch hoch bei etwa 100 Prozent – bewegt sich stetig nach unten. Ratingagenturen wie S&P honorieren diese Entwicklung. Spanien hat sein Vertrauen zurückerobert.
Frankreich: Politisch gelähmt, finanziell überfordert
Ganz anders Frankreich. Das Land, einst Bollwerk wirtschaftlicher Stabilität im Herzen der Eurozone, verliert an Bonität und Vertrauen. 115 Prozent Schuldenquote, 5,8 Prozent Defizit – kein anderes EU-Land steht in den Haushaltskennzahlen schlechter da. Und während Spanien sich aus eigener Kraft saniert, stagniert Frankreichs Reformeifer.
Der Grund liegt vor allem in der politischen Pattsituation. Die Regierung Macron ist durch die Blockade von Linken und Rechtspopulisten im Parlament faktisch handlungsunfähig. Notwendige Reformen, etwa bei Renten oder Subventionen, sind kaum durchsetzbar. Selbst moderate Sparprogramme zielen bestenfalls auf eine Verlangsamung des Schuldenwachstums – nicht auf Konsolidierung.
Der Preis dafür wird spürbar: Frankreichs Schuldendienst droht 2026 zum größten Ausgabenposten des Staates zu werden. Gleichzeitig steigen die Zinsen für französische Staatsanleihen – und das in einem Tempo, das sogar Spanien hinter sich lässt. Die Finanzmärkte reagieren schneller als Ratingagenturen: Investoren verlangen mittlerweile höhere Renditen für französische als für spanische Papiere.
Gleiches Rating – unterschiedliche Richtung
Während Frankreichs Rating bei Fitch kürzlich auf A+ herabgestuft wurde, erhielt Spanien von S&P exakt dieselbe Note – jedoch in einem Aufwärtstrend. Es ist das erste Mal, dass die beiden Nachbarländer auf diese Weise auf dem Papier gleichauf liegen. Doch ökonomisch liegen Welten zwischen ihnen.
Ein Ausblick mit Warnsignal
Für Frankreich steht viel auf dem Spiel: Mit jedem Monat des politischen Stillstands wächst der fiskalische Druck. Ein struktureller Umbau ist unausweichlich – wird aber durch parteipolitische Grabenkämpfe blockiert. Sollte die nächste Regierung keine handlungsfähige Mehrheit hinter sich bringen, könnte die Schuldenquote bald 130 Prozent überschreiten – mit verheerenden Folgen für den Schuldendienst, das Investitionsklima und letztlich auch den sozialen Frieden.
Spanien hingegen könnte sich in den kommenden Jahren als Modell für erfolgreiches Krisenmanagement etablieren. Zwar bleiben Probleme wie die hohe Arbeitslosigkeit bestehen, doch die strukturellen Weichen sind gestellt. In Europa, wo finanzielle Glaubwürdigkeit zunehmend über politische Stabilität entscheidet, ist Spanien derzeit auf dem besseren Kurs – und Frankreich steht am Scheideweg.
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