Ein Jahr nach einem verstörenden Arztbesuch an der Militärbasis Fort Hood in Texas erzählt eine Frau ihre Geschichte: Sie suchte ärztlichen Rat wegen einer Nebenhöhlenentzündung während ihrer Schwangerschaft – doch was folgte, war der Beginn eines beispiellosen Skandals innerhalb der US-Armee.
Der beschuldigte Arzt, Oberstleutnant Blaine McGraw, habe sie unangemessen berührt, ihre Kleidung herunterziehen wollen und eine vaginale Untersuchung gefordert – trotz fehlender medizinischer Notwendigkeit. Als sie ihn aufforderte, damit aufzuhören, habe er nur gelacht.
Diese Frau ist eine von über 1.400 Patientinnen, die die US-Armee inzwischen im Rahmen einer laufenden Untersuchung kontaktiert hat. McGraw arbeitete als Gynäkologe im Carl R. Darnall Army Medical Center auf Fort Hood – der drittgrößten Militärbasis der USA.
Ein Zivilprozess, eingereicht am 10. November in Texas, wirft McGraw vor, über Jahre hinweg Patientinnen sexuell ausgebeutet zu haben. Die Klage behauptet, dass die Armee trotz wiederholter Beschwerden nichts unternommen habe – weder auf Fort Hood noch zuvor im Tripler Army Medical Center auf Hawaii, wo McGraw seit 2019 tätig war. Er soll unter anderem heimlich Patientinnen bei gynäkologischen Untersuchungen gefilmt und sexuell anzügliche Kommentare gemacht haben.
„Ein Räuber in Uniform“
„Die Führung ignorierte Warnsignale, verspottete glaubhafte Vorwürfe und ließ McGraw weiter praktizieren“, heißt es in der Klageschrift. „Die Armee schützte einen Täter in Uniform.“
Ein Ehemann, der bei einer Untersuchung seiner Frau bemerkt haben will, wie McGraw heimlich filmte, meldete sich bei den Ermittlern – das löste die umfassende Untersuchung aus. Inzwischen vertritt der Klägeranwalt Andrew Cobos 56 Frauen mit ähnlichen Anschuldigungen.
Obwohl McGraw inzwischen vom Dienst suspendiert wurde, ist bislang keine strafrechtliche Anklage gegen ihn erhoben worden. Sein Anwalt Dan Conway bestreitet die Vorwürfe und kritisiert eine angeblich voreingenommene Informationspolitik der Armee-Ermittler.
„Ich wurde die ganze Zeit über manipuliert“
Zwei betroffene Frauen berichten gegenüber USA TODAY von schwerwiegenden Folgen nach ihren Begegnungen mit McGraw: Traumata, Vertrauensverlust, Panikattacken – selbst im Alltag. Eine Frau, deren Partner über 20 Jahre bei der Armee diente, musste sich bei der Militärpolizei selbst auf Fotos identifizieren, die McGraw heimlich aufgenommen haben soll – während einer Untersuchung, bei der er angeblich sein Telefon mit laufender Kamera in der Tasche trug.
Nach dem Gespräch mit Ermittlern habe sie im Auto geweint. „Es fühlte sich an, als wäre ich die ganze Zeit über systematisch manipuliert worden.“
Fehlende Hilfe, fehlende Verantwortung
Eine andere Betroffene erzählte, sie habe unmittelbar nach dem Vorfall versucht, den Übergriff zu melden – sieben Mal habe sie beim Krankenhaus angerufen, ohne Erfolg. Als sie schließlich von Ermittlern kontaktiert wurde, sei ihr lediglich ein einseitiges Infoblatt ausgehändigt worden – keine therapeutische Hilfe, keine echte Unterstützung.
Die Armee erklärte, sie habe die Hotline personell aufgestockt und zusätzliche Ressourcen bereitgestellt. Doch viele Betroffene fühlen sich alleingelassen.
Ein dunkler Schatten über Fort Hood
Der Fall erinnert an den tragischen Fall der 20-jährigen Vanessa Guillén, deren Ermordung im Jahr 2020 eine landesweite Debatte über sexuelle Gewalt innerhalb der US-Streitkräfte auslöste. Auch damals wurde der Führungsstil auf Fort Hood scharf kritisiert – von einem „klima der Duldung“ war die Rede.
Während die Untersuchungen gegen McGraw weiterlaufen, fordern Betroffene und Anwälte vor allem eines: Konsequenzen.
„Man kann so etwas nicht einfach unter den Teppich kehren“, sagt eine der Frauen. „Menschen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“
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