Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime über BaFin-Warnungen zu xtop(.)cc, x-top(.)cc, zinsvermittler(.)com, axl-staking(.)de und Fake-WhatsApp-Börsenforen
Frage: Herr Reime, die BaFin warnt aktuell vor mehreren Maschen – unerlaubte Kryptodienste (xtop(.)cc / x-top(.)cc), angebliche Fest-/Tagesgeldangebote (zinsvermittler(.)com), Job-Scams als „Support für Handelssysteme“ (axl-staking(.)de) und Fake-WhatsApp-Börsengruppen („Shenkman Börsenforum“ mit der App „C-Rax MAX“/„CryptoraX“). Was ist der gemeinsame Nenner?
Jens Reime: „Ganz einfach: keine Erlaubnis, Identitätsmissbrauch und Täuschung. Wer in Deutschland Finanz-, Wertpapier- oder Kryptowerte-Dienstleistungen anbietet, braucht eine BaFin-Lizenz. Wer ohne auftritt, handelt unerlaubt – das steht so in § 37 Abs. 4 KWG und § 10 Abs. 7 Kryptomärkteaufsichtsgesetz (KryptO-MärkteAufsG). Bei den WhatsApp-Gruppen kommt dazu: Man beruft sich auf renommierte Namen, lenkt dann aber auf eigene, intransparente Plattformen um. Das ist klassisches Social-Engineering.“
Frage: Woran erkennen Verbraucher:innen unseriöse Anbieter – bevor Geld fließt?
Reime: „Fünf schnelle Red Flags:
- Keine Zulassung in der BaFin-Unternehmensdatenbank; fehlendes oder windiges Impressum (Pflicht nach § 5 TMG).
- Druck: ‚Nur heute‘, ‚limitierte Slots‘, Testauszahlung kleiner Beträge zur Vertrauensbildung – danach werden Auszahlungen blockiert.
- Zahlungswege ins Ausland oder nur Krypto-Einzahlung; Aufforderung zu SEPA-Echtzeit (Recall schwer möglich).
- Falsche Autoritäten: Man beruft sich auf Shenkman, Institute, Influencer – tatsächlich Identitätsdiebstahl.
- Technik-Tricks: Fremde Apps, APKs, Remote-Zugriff, Side-Loading – Finger weg.“
Frage: Was raten Sie konkret Betroffenen, die bereits gezahlt oder eine App installiert haben?
Reime: „Sofort handeln, Reihenfolge einhalten:
- Zahlungsstopp / Rückruf: Bei Überweisungen sofort Bank kontaktieren (Überweisungsrückruf, Fraud-Flag). Bei Kreditkarte Chargeback anstoßen. Bei Krypto umgehend die verwendete Börse/Wallet-Plattform informieren (Freeze/Compliance, Transaktions-Hashes liefern).
- Beweise sichern: Screenshots, Chats, URLs, Domainnamen, App-Namen, Wallet-Adressen, Einzahlungsbelege, IP-/E-Mail-Header. Kein Nachverhandeln, keine ‚Freischaltgebühr‘ nachzahlen.
- Strafanzeige erstatten**:** Polizei/Staatsanwaltschaft; Vorgang ausdrücklich als Anlagebetrug/Identitätsmissbrauch schildern.
- BaFin informieren: Vorgang melden; Verweis auf Warnungen (z. B. xtop(.)cc / x-top(.)cc, zinsvermittler(.)com, axl-staking(.)de, Fake-WhatsApp-Foren mit C-Rax MAX/CryptoraX).
- Geräte säubern: Unbekannte Apps deinstallieren, Passwörter überall ändern, 2FA aktivieren, ggf. Werksreset.
- Identität schützen: Wenn Ausweiskopien, Selfies, Kontodaten herausgegeben wurden: Schufa-Selbstauskunft, Banking-Limite prüfen, Karten sperren/ersetzen, Online-Ausweisfunktion (eID) bei Verdacht deaktivieren, Mail-/Cloud-Konten härten.
Und: Keinesfalls an dubiose ‚Recovery-Dienstleister‘ zahlen.“
Frage: Zu axl-staking(.)de: Da sollen Privatleute ein Konto auf eigenen Namen eröffnen und Gelder weiterleiten – ist das „nur“ unklug oder strafbar?
Reime: „Das ist hochriskant und kann strafbar sein. Die BaFin warnt zu Recht: Wer als Privatperson Gelder entgegennimmt und an Dritte weiterleitet, kann wegen unerlaubter Zahlungsdienste nach dem ZAG belangt werden (§ 8 Abs. 7 S. 1 ZAG), dazu droht eine Nähe zur Geldwäsche. Außerdem bleiben Sie auf Rückzahlungsansprüchen der ursprünglich Einzahlenden sitzen. Mein Rat: sofort aussteigen, Bank und Polizei informieren, rechtliche Beratung einholen, bevor noch eine Zahlung fließt.“
Frage: Bei zinsvermittler(.)com werden Fest-/Tagesgeld und Beratung angeboten – angeblich BaFin-beaufsichtigt – und bekannte Firmen werden genannt. Was ist hier die Falle?
Reime: „Scheinautorität. Die BaFin stellt klar: keine Beaufsichtigung, die genannten Firmen haben nichts damit zu tun – das ist Identitätsdiebstahl. Also: Erlaubnis in der BaFin-Datenbank prüfen, HR-Eintrag checken, echte Kontaktdaten (Festnetz, ladungsfähige Anschrift) verifizieren, keine Unterlagen signieren, bevor die Lizenzlage glasklar ist.“
Frage: Was hat es mit den WhatsApp-Börsenforen („Shenkman Börsenforum“) und der App „C-Rax MAX / CryptoraX“ auf sich?
Reime: „Das Drehbuch ist immer ähnlich: Werbung in Social Media, Eintritt in eine WhatsApp-Gruppe, ein angeblicher Experte verteilt ‚Wissen‘, dann folgt die eigene Handelsapp und ein Kryptotoken – mit Testauszahlung zur Beruhigung. Später: Nachschusspflichten, Withdrawal-Sperren, ständig wechselnde Domains. Meine Empfehlung: Gruppe verlassen, blockieren, melden; App löschen, Gerät säubern (s. o.), und keine Fernzugriffe zulassen.“
Frage: Welche Rechtsgrundlagen stützen die BaFin-Warnungen?
Reime: „Die BaFin stützt sich u. a. auf § 37 Abs. 4 KWG (unerlaubte Bankgeschäfte/Finanzdienstleistungen), § 10 Abs. 7 Kryptomärkteaufsichtsgesetz (unerlaubte Kryptodienste), bei Job-Mule-Fällen auf § 8 Abs. 7 S. 1 ZAG. Das Entscheidende für Verbraucher: Erlaubnis prüfen, sonst Finger weg.“
Frage: Realistisch: Gibt es Chancen, Geld zurückzubekommen?
Reime: „Ja – aber begrenzt. Bei Kreditkarten sind Chargebacks möglich, bei SEPA manchmal ein Rückruf (je nach Bank/Timing). Bei Krypto hängt viel von der frühen Meldung und Compliance der involvierten Börsen ab – oft schwierig. Wichtig ist, dass Sie keine weiteren Zahlungen leisten, keine Gebühren für ‚Entsperrungen‘ zahlen und die Beweisführung lückenlos ist. Und: Lassen Sie sich rechtlich beraten; jeder Fall hat Besonderheiten.“
Frage: Ihre Sofort-Checkliste in einem Satz?
Reime: „Stoppen – Sichern – Anzeigen – Informieren – Absichern: Zahlung stoppen, Beweise sichern, Strafanzeige erstatten, BaFin und Bank informieren, digitale und persönliche Identität absichern.“
Frage: Und Ihr letzte Rat an Verbraucher:innen?
Reime: „Alles, was nur über Messenger läuft, Druck aufbaut, unrealistische Renditen verspricht oder nur Krypto akzeptiert, ist kein Investment, sondern ein Risiko. Prüfen Sie BaFin-Lizenz und Impressum, sprechen Sie vorher mit Ihrer Bank oder einem unabhängigen Anwalt – und glauben Sie keinem Chart, der nur nach oben zeigt.“
Hinweis: Dieses Interview ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Betroffene sollten ihren konkreten Fall anwaltlich prüfen lassen und unverzüglich Strafanzeige erstatten.
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