Eine Frau soll es jetzt richten: Evelyn Palla, Südtirolerin, Mutter von drei Kindern und ausgewiesene Bahnexpertin, wird neue Chefin der Deutschen Bahn. Erstmals in der Geschichte des Konzerns übernimmt damit eine Frau die oberste Verantwortung – inmitten einer der schwersten Krisen, die der Staatskonzern je erlebt hat.
Wie aus Regierungskreisen bekannt wurde, folgt Palla auf den abgelösten Richard Lutz. Die formelle Vorstellung soll am Montag erfolgen, gemeinsam mit einer neuen Eigentümerstrategie von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder. Die Erwartungen an die 51-jährige sind riesig – ebenso wie die Probleme, die sie nun lösen soll.
Vom Postbus zur Pünktlichkeit: Palllas steiler Aufstieg
Palla ist in der Bahnwelt kein unbeschriebenes Blatt. Ihre Karriere begann in der Privatwirtschaft, doch spätestens mit ihrem Wechsel zur ÖBB im Jahr 2011 wurde sie zum festen Bestandteil der europäischen Bahnszene. Ab 2015 verantwortete sie dort den Regionalverkehr und die Postbus AG. Ihre Handschrift galt als modern, effizient – und durchsetzungsstark.
2019 wechselte sie zur Deutschen Bahn, zunächst als Finanzvorständin bei DB Fernverkehr, später als Chefin der DB Regio. Dort gelang ihr 2025 die Trendwende: Im ersten Halbjahr schrieb der Regionalverkehr wieder schwarze Zahlen. Ein Achtungserfolg, der ihr nun den Weg an die Konzernspitze ebnete.
Die Baustellen bei der Bahn – wortwörtlich und strategisch
Doch Pallas neuer Arbeitsplatz gleicht einem Trümmerfeld mit Gleisanschluss. Das Vertrauen der Kunden ist angeschlagen, die Infrastruktur marode, der Betrieb unzuverlässig. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr liegt nur noch bei knapp 60 Prozent – und das trotz hochgesteckter Ziele und milliardenschwerer Investitionen.
Fast jeder ICE durchquert inzwischen eine Baustelle. Das Ziel: eine Generalsanierung von 40 wichtigen Strecken bis 2036. Doch kurzfristig bedeutet das vor allem noch mehr Verspätungen. Hinzu kommen Unmengen an Bürokratie, schleppende Digitalisierungsprozesse und ein Milliardenverlust von 760 Millionen Euro allein im ersten Halbjahr 2025.
„Mehr als nur eine Chefin“ – Erwartungen und Realismus
Ob Palla allein das Steuer herumreißen kann, bezweifeln manche Verkehrsexperten. Grünen-Verkehrspolitiker Matthias Gastel warnte bereits: „Ohne deutlich bessere Rahmenbedingungen wird auch Frau Palla nicht erfolgreich sein.“ Gemeint sind eine verlässliche Infrastrukturfinanzierung und klarere Steuerungsmechanismen durch den Bund.
In der Tat soll mit Pallas Amtsantritt auch die Eigentümerstrategie neu gefasst werden. Verkehrsminister Schnieder will die Bahn straffer führen, effizienter machen – und das Unternehmen wirtschaftlich auf Vordermann bringen. „Pünktlich, sicher und sauber“ soll sie sein, so Schnieder – und gleichzeitig „schneller, schlanker und schlagkräftiger“.
Eine Frau mit Führerschein – im wahrsten Sinne
Palla bringt nicht nur betriebswirtschaftliches Know-how mit. Sie besitzt sogar einen Triebfahrzeugführerschein – eine Seltenheit auf diesem Niveau. In ihrer Zeit bei der ÖBB ließ sie sich zur Lokführerin ausbilden, um den Arbeitsalltag auf der Schiene selbst zu verstehen. Diese Praxisnähe verschafft ihr im Konzern Respekt – von der Führungsebene bis zum Bahnsteig.
Fazit: Aufbruch mit vielen Unwägbarkeiten
Evelyn Palla tritt ihr Amt mit Rückenwind an – und einem klaren Mandat zur Erneuerung. Sie soll nicht nur modernisieren, sondern auch Vertrauen zurückgewinnen, wirtschaftlich sanieren und die Bahn aus dem Tief holen. Ob ihr das gelingt, hängt nicht nur von ihrem Können ab – sondern auch davon, ob Politik, Verwaltung und Belegschaft sie dabei unterstützen.
Denn eines ist klar: Der Weg aus dem Schienenchaos wird kein Sprint – sondern eine Langstrecke mit vielen Weichenstellungen.
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