Deutschland setzt ein deutliches diplomatisches Signal: Außenminister Johann Wadephul hat der Türkei einen neuen Anlauf für den offiziellen EU-Beitrittsprozess in Aussicht gestellt. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan in Berlin erklärte Wadephul, es sei „an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen“.
Deutschland: Türkei ist „zentraler Partner“ – aber Regeln bleiben verbindlich
Wadephul verwies darauf, dass die Türkei sich in verschiedenen internationalen Konflikten – etwa in der Ukraine und im Nahen Osten – zu einem wichtigen Partner entwickelt habe. Eine engere Zusammenarbeit liege daher im strategischen Interesse Deutschlands und der EU.
Gleichzeitig stellte der Außenminister klar, dass die Kopenhagener Kriterien, also die EU-Vorgaben zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten, „nicht verhandelbar“ seien. Die Türkei müsse diese Standards erfüllen, um in den Beitrittsverhandlungen voranzukommen.
Deutschland wolle in diesem Prozess „ein verlässlicher und freundschaftlicher Partner“ sein, betonte Wadephul – doch die notwendigen Reformschritte ließen sich nicht umgehen.
Türkei bekräftigt Ziel EU-Mitgliedschaft
Der türkische Außenminister Hakan Fidan bekräftigte in Berlin, dass die EU-Mitgliedschaft weiterhin das strategische Ziel seines Landes sei.
„Wir werden alle Voraussetzungen entsprechend zu erfüllen suchen“, sagte Fidan laut offizieller Übersetzung. Die Existenz klarer EU-Aufnahmekriterien sei kein Hindernis: „Man muss die Spielregeln einhalten.“
Gleichzeitig kritisierte Fidan, dass die Beitrittsverhandlungen seit Jahren stagnieren. Zahlreiche Verhandlungskapitel seien blockiert – dies müsse sich nun ändern, forderte er. Die Beziehungen zwischen EU und Türkei müssten „normalisiert“ und der Dialog wiederbelebt werden.
Beitrittsprozess seit Jahren festgefahren
Die Türkei ist seit 1999 EU-Beitrittskandidat. Die formellen Verhandlungen laufen seit 2005, sind jedoch seit 2018 faktisch eingefroren. Grund sind unter anderem der Umgang der türkischen Regierung mit Opposition und Medien, rechtsstaatliche Defizite und politische Spannungen innerhalb Europas.
Einige EU-Staaten, darunter Österreich, plädieren seit Jahren sogar für einen offiziellen Abbruch der Verhandlungen – konnten sich jedoch bislang nicht durchsetzen.
Viel Symbolik, vorsichtiger Optimismus
Der Vorstoß Deutschlands deutet auf einen diplomatischen Neustart hin, garantiert jedoch noch keinen Durchbruch. Entscheidend wird sowohl der Reformwille der Türkei sein als auch die Frage, ob die EU bereit ist, den Dialog konstruktiv zu beleben.
Wadephul machte deutlich, dass beide Seiten Schritte aufeinander zugehen müssten. Erst dann könne der lange blockierte Prozess tatsächlich wieder Bewegung aufnehmen.
Kommentar hinterlassen