Die Europäische Union hat sich in zwei zentralen Bereichen – dem Schutz der Wälder und den Regeln für den Umgang mit Gentechnik – auf weitreichende Änderungen verständigt. Während Wirtschaftsvertreter aufatmen, äußern Umweltschützer und Konsumentenvertreter starke Bedenken. Die finalen Entscheidungen stehen noch aus, doch die Richtung ist bereits klar.
Waldschutzgesetz: Verzögerung und Abschwächung
Ursprünglich sollte das EU-Waldschutzgesetz ein klares Signal gegen Entwaldung setzen. Nun wird es nicht nur erneut verschoben, sondern in mehreren Punkten auch abgeschwächt. Unterhändler von EU-Parlament und Mitgliedstaaten einigten sich darauf, das bereits 2023 beschlossene Gesetz zu überarbeiten.
Für große Unternehmen sollen die neuen Vorgaben erst ein Jahr später gelten, für kleine und mittlere Betriebe sogar erst ab Mitte 2027. Gleichzeitig werden die Berichtspflichten deutlich reduziert: Nur Unternehmen, die ein Produkt erstmals in die EU einführen, müssen künftig eine Sorgfaltserklärung abgeben – Händler in der Lieferkette sind davon ausgenommen.
Kleinstunternehmen müssen lediglich eine einmalige, vereinfachte Erklärung abgeben. Zudem werden bestimmte Erzeugnisse wie Bücher und Zeitungen vollständig von der Verordnung ausgenommen.
Die Holzindustrie, insbesondere in Österreich, begrüßt diese Änderungen. „Die Entwaldungsverordnung wurde endlich so angepasst, dass eine ernsthafte Gefährdung vielfältiger Lieferketten verhindert werden konnte“, erklärte Erlfried Taurer vom Fachverband der Holzindustrie Österreich.
Gentechnik: Neue Regeln spalten Meinungen
Auch bei den Regeln für gentechnisch veränderte Pflanzen geht die EU neue Wege – und sorgt für Kontroversen. Künftig sollen bestimmte Formen der Gentechnik, etwa durch sogenannte „Genscheren“ wie CRISPR/Cas, weniger streng reguliert werden. Produkte mit weniger weitreichenden Eingriffen könnten dann ohne besondere Prüfungen oder Kennzeichnung in Supermärkten landen.
Ziel der Reform: Obst- und Gemüsesorten, die widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen sind, weniger Dünger benötigen und höhere Erträge bringen – das hoffen Befürworter in Wissenschaft und Landwirtschaft.
Doch viele Stimmen äußern sich kritisch. Sie warnen vor einer eingeschränkten Wahlfreiheit für Konsumenten und möglichen Nachteilen für kleine Zuchtbetriebe.
„Das ist ein Kniefall vor den Agrarkonzernen“, kritisiert etwa der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz. Auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) betont, dass Österreich der Neuregelung nicht zustimmen werde – insbesondere wegen der fehlenden verpflichtenden Kennzeichnung.
Wissenschaft begrüßt Reform: Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sieht in den gelockerten Vorschriften „einen wichtigen Schritt für Forschung und Klimaanpassung“. Auch der Pflanzenzüchter Hermann Bürstmayr (BOKU) sieht keine erhöhte Gefahr für Konsumenten – im Gegenteil: Moderne Verfahren könnten für Bauern und Verbraucher Vorteile bringen.
Biolandwirtschaft soll geschützt bleiben
Einigkeit herrscht immerhin in einem Punkt: Die Biolandwirtschaft soll gentechnikfrei bleiben. Laut EU-Vereinbarung ist dies auch weiterhin gesetzlich verankert – allerdings mit einer umstrittenen Ausnahme: Ein „technisch unvermeidbares Vorhandensein“ von gentechnisch veränderten Organismen in Bio-Produkten soll künftig nicht automatisch als Verstoß gelten.
Ein Balanceakt mit Folgen
Die jüngsten Einigungen zeigen den Balanceakt zwischen wirtschaftlichen Interessen, wissenschaftlichen Fortschritten und dem Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger nach Transparenz und Naturschutz. Während die einen Chancen sehen, warnen andere vor einem schleichenden Verlust von Wahlfreiheit und ökologischer Integrität.
Die finalen Abstimmungen im EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten stehen noch aus. Doch schon jetzt ist klar: Die Debatte über die Zukunft von Natur, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird Europa noch lange begleiten.
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