Am 30. September 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine wichtige Entscheidung im Zusammenhang mit den Haftungsvergleichen im sogenannten Dieselskandal gefällt (Az.: II ZR 154/23). Der Beschluss der Hauptversammlung der Volkswagen AG über einen Vergleich mit D&O-Versicherern wurde für nichtig erklärt. Über weitere Haftungsvergleiche mit ehemaligen Vorständen muss das Oberlandesgericht neu verhandeln. Wir haben mit Rechtsanwalt Daniel Blazek über die Bedeutung des Urteils gesprochen.
Frage: Herr Blazek, was genau hat der BGH entschieden?
Blazek: Der Bundesgerichtshof hat den Beschluss der VW-Hauptversammlung von 2021 teilweise für nichtig erklärt. Konkret ging es um die Zustimmung zu einem Vergleich mit den D&O-Versicherern. Das Problem war, dass in der Tagesordnung nicht klar erkennbar war, dass mit dem Vergleich auch ein weitreichender Verzicht gegenüber sämtlichen amtierenden und ehemaligen Organmitgliedern verbunden war. Das hätte nach dem Aktiengesetz ausdrücklich mitgeteilt werden müssen.
Frage: Welche Folgen hat dieses Urteil für Volkswagen und seine Aktionäre?
Blazek: Zunächst einmal muss über die Vergleiche mit den ehemaligen Vorständen neu entschieden werden. Für die Aktionäre ist das Urteil aber vor allem ein Warnsignal: Sie haben ein Recht auf vollständige und transparente Informationen, bevor sie weitreichende Entscheidungen treffen. Wenn die Tagesordnung unvollständig oder missverständlich ist, können Beschlüsse scheitern – so wie hier.
Frage: Der BGH hat auch die Auskünfte zu den Vermögensverhältnissen der Ex-Vorstände beanstandet. Warum ist das relevant?
Blazek: VW hat die Vergleiche unter anderem damit begründet, dass die finanziellen Mittel der früheren Vorstände bei weitem nicht ausreichen würden, um den entstandenen Schaden zu decken. Das ist ein schlagendes Argument – aber nur dann, wenn die Aktionäre auch wirklich nachvollziehen können, ob diese Einschätzung zutrifft. Dazu hätten detailliertere Angaben gemacht werden müssen.
Frage: Manche Beobachter sprechen von einem Rückschlag für die Aufarbeitung des Dieselskandals. Sehen Sie das auch so?
Blazek: Ich sehe es eher als Korrektur. Der Dieselskandal ist ein Lehrstück dafür, was passiert, wenn Informations- und Kontrollrechte der Aktionäre nicht ernst genug genommen werden. Dieses Urteil zwingt Unternehmen, in Zukunft sauberer und transparenter zu arbeiten – gerade wenn es um Vergleiche in Milliardenhöhe geht.
Frage: Was bedeutet das Urteil über den Einzelfall hinaus?
Blazek: Es setzt Maßstäbe für die Corporate Governance in Deutschland. Hauptversammlungen dürfen keine „Black Box“ sein, in der wichtige Informationen irgendwo im Kleingedruckten versteckt werden. Wer Zustimmungsbeschlüsse will, muss Klartext reden. Das stärkt die Rechte der Aktionäre – und am Ende auch das Vertrauen in die Aktiengesellschaft als Unternehmensform.
Kommentar hinterlassen