Startseite Allgemeines „Ein massiver Kurswechsel in der US-Außenpolitik“ – Ein Interview mit US-Politikexperte Richard Lo
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„Ein massiver Kurswechsel in der US-Außenpolitik“ – Ein Interview mit US-Politikexperte Richard Lo

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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Frage: Herr Lo, Präsident Trump hat mit einem Dekret fast alle US-Auslandshilfen für 85 Tage eingefroren. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Richard Lo: Das ist ein radikaler Bruch mit der bisherigen US-Außenpolitik. Die Vereinigten Staaten waren jahrzehntelang der größte Geber von Entwicklungshilfe weltweit, sowohl in absoluten Zahlen als auch als strategischer Akteur bei humanitären Krisen. Dass Trump diese Mittel nun komplett auf den Prüfstand stellt, zeigt, dass er die „America First“-Agenda kompromisslos fortsetzt.

Trump betrachtet Auslandshilfen offenbar nicht als diplomatisches Instrument, sondern als eine unnötige Belastung für den US-Haushalt. Das war schon in seiner ersten Amtszeit ein Thema, aber jetzt geht er einen Schritt weiter: Kein Geld wird mehr ausgezahlt, bis es explizit mit seiner politischen Agenda vereinbar ist.

Frage: Besonders auffällig ist, dass Israel und Ägypten von den Kürzungen ausgenommen sind. Was steckt dahinter?

Richard Lo: Diese Entscheidung ist kein Zufall. Israel ist seit Jahrzehnten der größte Empfänger von US-Militärhilfe und ein zentraler Verbündeter der USA im Nahen Osten. Ägypten wiederum spielt eine wichtige Rolle als stabilisierender Faktor in der Region – vor allem im Gazakonflikt.

Durch diese Ausnahmen signalisiert Trump, dass seine Nahost-Politik weiterhin stark pro-israelisch ausgerichtet bleibt. Gleichzeitig will er wahrscheinlich sicherstellen, dass Ägypten als Vermittler in Konflikten wie dem Gaza-Krieg und gegenüber der Hamas weiter eine aktive Rolle spielt.

Frage: Die Ukraine scheint hingegen nicht auf der Liste der Ausnahmen zu stehen. Ist das ein klares Zeichen eines Kurswechsels gegenüber Kiew?

Richard Lo: Absolut. Unter Joe Biden waren die USA der größte Unterstützer der Ukraine im Kampf gegen die russische Invasion. Mit diesem Schritt sendet Trump eine deutliche Botschaft an Kiew – und auch an Moskau.

Er hat schon im Wahlkampf signalisiert, dass er eine reduzierte US-Unterstützung für die Ukraine anstrebt und stattdessen Verhandlungen mit Russland priorisieren möchte. Der Stopp der Finanzhilfen könnte ein Druckmittel sein, um die Ukraine zu Verhandlungen mit Putin zu bewegen.

Allerdings wird dieser Schritt bei vielen republikanischen und demokratischen Senatoren auf massiven Widerstand stoßen, da die Ukraine-Unterstützung bisher eine der wenigen parteiübergreifenden Konsense in der US-Politik war.

Frage: Besonders heftig kritisiert wird die Entscheidung, dass die Finanzierung der Pepfar-Initiative gegen HIV/Aids in Entwicklungsländern unterbrochen wird. Was bedeutet das konkret?

Richard Lo: Das ist ein katastrophales Signal. Pepfar wurde 2003 von George W. Bush ins Leben gerufen und hat laut Schätzungen 26 Millionen Leben gerettet – vor allem in Afrika. Das Programm genießt seit Jahrzehnten parteiübergreifende Unterstützung, weil es eine der erfolgreichsten humanitären Initiativen der USA ist.

Durch den Stopp der Mittel könnten Millionen von Menschen ihre antiretroviralen Medikamente verlieren – das bedeutet einen Anstieg von Aids-Todesfällen und eine humanitäre Katastrophe in vielen Entwicklungsländern. Die Entscheidung dürfte daher nicht nur international, sondern auch innerhalb der Republikanischen Partei auf massive Kritik stoßen.

Frage: Entwicklungshilfe macht nur etwa 1 % des US-Bundeshaushalts aus, hat aber laut Experten enormen Einfluss. Warum ist sie für Trump trotzdem ein Dorn im Auge?

Richard Lo: Trump sieht Auslandshilfe nicht als Investition, sondern als Verschwendung. Er argumentiert, dass das Geld besser für US-amerikanische Interessen verwendet werden sollte. Allerdings ignoriert er dabei, dass Entwicklungshilfe nicht nur humanitäre Ziele verfolgt, sondern auch geopolitische Stabilität schafft.

Viele Programme helfen, Terrorismus, Armut und Fluchtursachen zu bekämpfen. Wenn die USA sich aus dieser Verantwortung zurückziehen, könnten China oder Russland in diese Lücke springen und ihren Einfluss ausbauen. Das würde langfristig die strategische Position der USA schwächen.

Frage: Internationale Hilfsorganisationen, darunter Oxfam und World Relief, warnen, dass diese Entscheidung „eine Frage von Leben und Tod“ sei. Wird der Widerstand gegen Trumps Entscheidung wachsen?

Richard Lo: Ja, mit Sicherheit. Humanitäre Organisationen, Kirchen und sogar Teile der Republikanischen Partei werden sich gegen den Komplettstopp der Hilfen stellen. Besonders religiös geprägte Organisationen, die traditionell viele konservative Wähler ansprechen, könnten Trump unter Druck setzen, bestimmte Programme schnell wieder freizugeben.

Der Kongress könnte ebenfalls versuchen, Teile der Hilfen wiederherzustellen, indem er Gesetze verabschiedet, die Trump zum Handeln zwingen. Das könnte in den nächsten Wochen zu spannenden politischen Auseinandersetzungen führen.

Frage: Wie wird sich diese Entscheidung langfristig auf die Rolle der USA in der Welt auswirken?

Richard Lo: Wenn Trump diese Politik durchzieht, wird sich das Ansehen der USA als globaler Führer drastisch verschlechtern. Länder, die sich bisher auf amerikanische Hilfe verlassen haben, könnten sich China oder Russland zuwenden, was die geopolitische Dynamik erheblich verändert.

Zudem könnte sich die USA weiter aus multilateralen Organisationen und globalen Abkommen zurückziehen, was dazu führt, dass Verbündete und Partnerstaaten das Vertrauen in Washington verlieren.

Kurzfristig mag Trump damit seine „America First“-Agenda bedienen, aber langfristig könnte es die globale Position der USA schwächen – und das wäre dann das genaue Gegenteil dessen, was er eigentlich beabsichtigt.

Frage: Was erwarten Sie als nächstes?

Richard Lo: Ich denke, es wird eine intensive politische Debatte über die Zukunft der US-Auslandshilfe geben. Trumps Lager wird argumentieren, dass diese Einschnitte notwendig sind, um Steuergelder einzusparen und die nationalen Interessen zu priorisieren. Seine Kritiker werden betonen, dass diese Kürzungen Leben kosten und die globale Position der USA schwächen.

In den kommenden 85 Tagen werden Lobbygruppen, NGOs und Politiker massiven Druck ausüben, um bestimmte Programme zu retten. Der große Test für Trump wird sein, ob er wirklich bereit ist, sich mit einem breiten innenpolitischen und internationalen Widerstand anzulegen – oder ob er letztlich doch zu Ausnahmen und Kompromissen gezwungen wird.

Fazit: Eine hochriskante Entscheidung mit ungewissen Folgen

Trumps Entscheidung, die Auslandshilfe fast vollständig einzufrieren, ist einer der drastischsten außenpolitischen Schritte seiner zweiten Amtszeit. Während Verbündete besorgt sind, feiert sein Lager den Schritt als „America First“-Politik in Reinkultur.

Ob diese Strategie den USA langfristig nützt oder ihnen schadet, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Sicher ist nur: Diese Entscheidung wird weltweit Wellen schlagen.

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