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Ein Erbe im Wert von Millionen – Indiens ehemalige Royals leben heute von Centbeträgen

Alexas_Fotos (CC0), Pixabay
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In Lucknow, im Norden Indiens, wartet der 90-jährige Faiyaz Ali Khan auf seine monatliche „Wasika“ – eine königliche Pension, die einst aus den Reichtümern des Königreichs Awadh stammt. Heute beträgt sie neun Rupien und 70 Paise im Monat – umgerechnet rund elf Euro-Cent.

Für Khan ist das Geld kaum der Rede wert. Dennoch kommt er jedes Jahr persönlich, um es abzuholen. „Selbst wenn es nur ein Paisa wäre – wir würden tausend Rupien ausgeben, um es zu bekommen“, sagt sein Sohn Shikoh Azad.

Ein Relikt aus der Zeit der Nawabs

Die Wasika geht zurück auf das 19. Jahrhundert, als das halbautonome muslimische Königreich Awadh von den Nawabs regiert wurde. Vor der britischen Annexion im Jahr 1856 gewährten einige Adlige der East India Company Kredite in Millionenhöhe – unter der Bedingung, dass die Zinsen als Pensionen für ihre Nachkommen ausgezahlt werden sollten.

Die wohl bekannteste dieser Vereinbarungen stammt von Bahu Begum, Ehefrau von Nawab Shuja-ud-Daula. Sie verlieh der East India Company 40 Millionen Rupien – ein astronomischer Betrag, der nie zurückgezahlt wurde. Stattdessen sollten ihre Verwandten lebenslang Zinsen erhalten.

Heute profitieren noch rund 1.200 Nachkommen, die sogenannten Wasikedars, von diesen historischen Vereinbarungen – wenn auch nur symbolisch.

Die historische Abwärtsspirale der Zahlungen

Mit jeder Generation schrumpfte der Betrag: Starb ein Empfänger, wurde die Pension unter den Nachkommen aufgeteilt. So wurde aus einer stattlichen Summe von einst Hunderten Rupien ein Bruchteil.

Nach der indischen Unabhängigkeit 1947 wurde ein Teil des Kapitals auf ein Konto bei der Reserve Bank of India in Kolkata (heute Kalkutta) übertragen, später nach Kanpur und dann nach Lucknow verlagert. Heute werden die Zinsen aus einem Kapital von etwa 2,6 Millionen Rupien (ca. 28.000 Euro) ausgeschüttet.

Die Verwaltung erfolgt über zwei Büros im historischen Picture Gallery Building in Lucknow – eines der Hussainabad Trust, das andere der Landesregierung von Uttar Pradesh. Während das Trust-Büro Bargeld auszahlt, werden staatliche Pensionen inzwischen direkt auf Bankkonten überwiesen.

„Das ist unsere Identität, kein Geldbetrag“

Für viele Nachfahren geht es nicht um das Geld, sondern um Ehre.
„Diese Pension ist unsere Identität – sie ist unbezahlbar“, sagt Shahid Ali Khan, ein Anwalt und Nachfahre eines Ministers von Nawab Mohammad Ali Shah. Er erhält zwei Mini-Zahlungen: vier Rupien achtzig Paise pro Quartal und drei Rupien einundzwanzig Paise im Monat.

Er hebt sie nur kurz vor dem islamischen Monat Muharram ab, um sie für religiöse Zwecke zu verwenden. „Ich würde mich schuldig fühlen, wenn ich auch nur einen Paisa anders ausgebe“, sagt er.

Forderungen nach Anpassung

Die Empfänger fordern seit Jahren, die Wasika an heutige Zins- und Silberpreise anzupassen. Früher wurde sie in Silbermünzen ausgezahlt, die mehr als eine Tola (rund 12 Gramm) wogen. „Wenn wir nicht mehr in Silber bezahlt werden, sollte zumindest der Gegenwert in Rupien angepasst werden“, sagt Shahid Ali Khan, der inzwischen erwägt, gerichtlich eine Erhöhung zu erzwingen.

Doch bislang stoßen alle Appelle auf taube Ohren. „Ich gebe 500 Rupien für Benzin aus, um neun Rupien und siebzig Paise abzuholen“, klagt Shikoh Azad.

Vom Volksfest zur Formalität

Ältere Einwohner erinnern sich, dass die Auszahlung der Wasika einst ein gesellschaftliches Ereignis war. Händler verkauften Tee und Süßigkeiten, Kutschen fuhren vor, Frauen kamen in verschleierten Wagen – es war ein Festtag.

„Mein Vater erzählte mir, dass es damals wie ein Jahrmarkt war“, sagt Faiyaz Ali Khan. „Heute ist davon nichts mehr geblieben.“


Fazit:
Was einst ein Zeichen königlicher Macht und Würde war, ist heute ein symbolischer Restposten kolonialer Geschichte. Die Wasika hat kaum noch materiellen Wert, aber für ihre Empfänger bleibt sie ein Band zwischen Vergangenheit und Gegenwart – zwischen Stolz und Vergessen.

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