München ohne Eisbachwelle ist ein bisschen wie Weißwurst ohne Senf, Oktoberfest ohne Bier oder der Englische Garten ohne… na ja, Surfer in Neoprenanzügen mitten im Winter. Doch genau das ist seit Oktober Realität: Die legendäre Eisbachwelle hat sich verabschiedet. Einfach so. Ausgekehrt, ausgeritten, ausgebremst.
Seit der jährlichen Bachauskehr ist die weltweit wohl bekannteste urbane Flusswelle nur noch ein schaumiges Erinnerungsvideo auf Instagram. Kurzzeitig tauchte sie zu Weihnachten zwar wieder auf – vermutlich als Christkindl mit Akkuschrauber –, doch statt Frieden auf Erden herrscht jetzt vor allem eines: Streit.
Die Welle, die einfach nicht mehr wollte
Jahrzehntelang lief alles rund. Die Eisbachwelle stand stabil, Surfer aus aller Welt rutschten elegant quer durchs eiskalte Wasser, Touristen staunten, Münchner nickten lässig. Doch Ende Oktober war plötzlich Schluss. Die Welle wollte nicht mehr. Warum? Das weiß bis heute niemand so ganz. Vielleicht Midlife-Crisis. Vielleicht Bürokratie.
Die Stadt München gab sich engagiert. Man arbeite „auf Hochtouren“ an einer Lösung, hieß es aus dem Rathaus – was im Münchner Verwaltungsdeutsch ungefähr bedeutet: Es gibt einen Ordner. Und einen weiteren Ordner. Und jemand sucht gerade den Schlüssel zum Aktenschrank.
Sogar externe Expertinnen und Experten wurden hinzugezogen: Strömungsprofis, Hochschulen, Hydrologen, Holzbrett-Influencer.
Bretter, Kies und andere Hoffnungen
Man probierte alles: Pegelstände, Oberwasser, Unterwasser, ein bisschen hier drehen, dort schieben. Dann Kies. Dann wieder Bretter. Zwischendurch klappte es kurz – meistens nachts, wenn offenbar unbekannte „Wellenelfen“ heimlich Holz in den Bach legten.
Das Ergebnis war stets dasselbe:
Bretter rein = Welle da.
Bretter raus = Welle weg.
Die Eisbachwelle scheint also handwerklich eher simpel gestrickt – komplex wird es erst auf dem Amt.
Eine offizielle Lösung mit Rampe und Kies wurde vorgeschlagen. Dauer: drei Monate. Genehmigung: theoretisch möglich. Praktisch? Nun ja.
Surfer gegen Verwaltung: Das große Wellengericht
Jetzt eskaliert der Konflikt. Der Surf Club München wirft der Stadt offen vor, das Surfen nicht regulieren, sondern loswerden zu wollen. Man spreche von Sicherheit, meine aber Stillstand. Ein Testprojekt werde mit Auflagen belegt, „die selbst für Großprojekte ungewöhnlich wären“. Oder anders gesagt: Für einen Kieshaufen braucht man offenbar mehr Papier als für einen Flughafen.
Die Surfer sehen eine politische Grundsatzfrage:
Wie viel Lebendigkeit darf Stadt eigentlich noch haben, bevor sie genehmigungspflichtig wird?
Oder in Kurzform:
„Formal dürfen wir. Faktisch dürfen wir nicht.“
Weihnachten: Die Welle kehrt zurück – illegal, aber magisch
Dann kam Weihnachten. Und mit ihm ein Wunder. Über Nacht tauchte eine Rampe auf, die Welle lief wieder, Surfer sprangen begeistert ins eiskalte Wasser. Frohe Botschaft! Leider auch: verboten.
Am Brückengeländer tauchten Plakate auf. Erst:
„Let Surfers fix the Wave!“
Dann:
„Just watch. Merry X-Mas.“
Wer dahinter steckt? Unbekannt.
Mögliche Strafe? Bis zu 50.000 Euro.
Kosten-Nutzen-Rechnung aus Sicht der Surfer: Unbezahlbar.
Fazit: Eine Welle zu viel für die Bürokratie
Die Eisbachwelle lebt – zumindest im Herzen der Surfer. Ob sie auch offiziell zurückkommt, ist offen. Klar ist nur: Diese Welle ist längst mehr als Wasser und Strömung. Sie ist Symbol, Mythos und inzwischen auch Politikum.
Und während die Stadt weiter prüft, messen, genehmigt und evaluiert, tun die Münchner Surfer das, was sie am besten können:
Sie warten.
Und stehen bereit.
Mit Brett.
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