Die Apple Watch präsentiert sich zunehmend als medizinisches Mini-Labor fürs Handgelenk – mit automatischer Rhythmusüberwachung, Alarmen bei Unregelmäßigkeiten und der Möglichkeit, ein EKG jederzeit selbst auszulösen. Doch wie zuverlässig sind diese Funktionen im Alltag, und welche Rolle spielen Datenschutz und medizinische Grenzen?
Apple stellte kürzlich in Berlin neue Features seiner Gesundheitsplattform Apple Health vor. Im Mittelpunkt: ein präziseres EKG-System und verbesserte Algorithmen zur Erkennung von Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern (AFib). Diese Erkrankung bleibt oft lange unentdeckt, erhöht jedoch das Schlaganfallrisiko erheblich.
Dauerüberwachung statt Momentaufnahme
Während ein klassisches EKG in der Arztpraxis nur wenige Sekunden misst, arbeitet die Apple Watch rund um die Uhr. Genau darin sieht Christian Hengstenberg, Leiter der Universitätsklinik für Kardiologie der MedUni Wien, den großen Vorteil: Tritt die Rhythmusstörung nur gelegentlich oder nachts auf, entgeht sie einem Kurzzeit-EKG meist vollständig. Die Uhr hingegen registriert kontinuierlich den Puls und kann auch seltene Auffälligkeiten dokumentieren.
Kommt es zu einem Warnsignal, kann der Nutzer ein 30-Sekunden-EKG auslösen. Technisch handelt es sich um ein sogenanntes 1-Kanal-EKG. Es ist von der EU als Medizinprodukt zugelassen und liefert solide Basisdaten, ersetzt aber kein vollständiges klinisches Mehrkanal-EKG. „Für die Unterscheidung zwischen normalem Rhythmus und möglichem Vorhofflimmern ist es dennoch erstaunlich präzise“, erklärt Hengstenberg.
Große Chancen – und klare Grenzen
Die Apple-Technologie kann Hinweise liefern, aber sie diagnostiziert keine Krankheiten. Ärztliche Abklärung bleibt unverzichtbar, denn Fehlalarme kommen vor – ebenso wie unentdeckte Episoden, die außerhalb des Messzeitraums liegen.
Zudem stellt sich die Frage nach dem Datenschutz: Gesundheitsdaten gehören zu den sensibelsten Informationen überhaupt. Apple betont, dass EKG-Daten verschlüsselt gespeichert werden und Nutzer volle Kontrolle über ihre Freigaben behalten. Dennoch warnen Experten, dass jede digitale Gesundheitsplattform potenziell angreifbar ist.
Fazit
Die Apple Watch ist kein Ersatz für medizinische Diagnostik – aber sie kann ein wertvolles Frühwarnsystem sein. Besonders Menschen mit Risikofaktoren profitieren davon, weil Herzrhythmusstörungen oft unbemerkt bleiben. Die Uhr sieht, was der Arzt im kurzen Praxis-EKG vielleicht verpasst.
Wer die Funktionen nutzt, sollte jedoch eines wissen: Technologie kann Hinweise geben – aber Verantwortung und medizinische Bewertung bleiben beim Menschen.
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