Startseite Allgemeines „Die Schwelle für ein Vereinsverbot wurde klar verfehlt“ – Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek zum aufgehobenen COMPACT-Verbot
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„Die Schwelle für ein Vereinsverbot wurde klar verfehlt“ – Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek zum aufgehobenen COMPACT-Verbot

parveender (CC0), Pixabay
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Herr Blazek, das Bundesverwaltungsgericht hat das vom Bundesinnenministerium im Juni 2024 ausgesprochene Verbot der COMPACT-Magazin GmbH aufgehoben. Wie bewerten Sie das Urteil?

Daniel Blazek:
Das Urteil ist eine klare Absage an staatliche Übergriffigkeit in sensiblen Bereichen wie Meinungs-, Presse- und Vereinigungsfreiheit. Das Gericht hat gezeigt, dass es den grundrechtlichen Schutz auch für unbequeme oder kontroverse Stimmen ernst nimmt – selbst dann, wenn deren Inhalte provozieren oder die politische Mehrheit herausfordern.

Das BMI hatte argumentiert, COMPACT richte sich mit seiner Tätigkeit gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Was hat das Gericht daran konkret beanstandet?

Blazek:
Das Gericht hat sehr genau geprüft, ob COMPACT die verfassungsrechtlich geschützten Grundprinzipien – Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit – aktiv und in kämpferisch-aggressiver Weise angreift. Diese Hürde muss ein Vereinsverbot nehmen. Das Urteil macht deutlich: Einzelne polemische, migrationskritische oder auch zugespitzte Positionen reichen dafür nicht aus. Eine rechtspolitische Agenda oder die Berufung auf problematische Denker wie Martin Sellner sind kein ausreichender Beleg für ein verfassungswidriges Gesamtprofil.

Der Senat hat jedoch durchaus kritische Punkte angesprochen, etwa im Zusammenhang mit dem sogenannten „Remigrationskonzept“.

Blazek:
Richtig, das Gericht verkennt nicht die Nähe einiger COMPACT-Inhalte zu problematischen Vorstellungen. Aber entscheidend ist: Auch Meinungen, die auf gesellschaftliche Ablehnung stoßen, sind grundrechtlich geschützt – solange sie nicht zur systematischen und realweltlichen Aushöhlung der Verfassungsordnung führen. Das ist der Unterschied zwischen Gesinnung und Verfassungsfeindlichkeit im aktiven Sinne. Die Richter haben hier sehr genau differenziert.

Was bedeutet das Urteil für den Umgang mit Medien, die dem rechten Spektrum zugerechnet werden?

Blazek:
Es setzt ein wichtiges Signal: Der Staat darf keine Gesinnungspolizei sein. Auch Medien, die aus Sicht der Regierung „unerwünscht“ sind, dürfen nicht vorschnell verboten werden. Der Diskurs muss in der Gesellschaft geführt werden, nicht durch staatliche Zensur oder Verbotsverfügungen. Das Urteil stärkt die Kommunikationsgrundrechte und damit letztlich auch unsere Demokratie.

War das BMI mit dem Verbot also über das Ziel hinausgeschossen?

Blazek:
Ja. Ein Vereinsverbot ist das schärfste Instrument, das das Vereinsgesetz bietet. Es braucht eine prägende, aggressive Verfassungsfeindlichkeit. Die hat das Gericht im Fall COMPACT nicht gesehen. Wer ein solches Mittel einsetzt, ohne diese Voraussetzungen zu erfüllen, riskiert die Glaubwürdigkeit des staatlichen Verfassungsschutzes.

Wie geht es nun für COMPACT weiter?

Blazek:
Die Verbotsverfügung ist aufgehoben, COMPACT kann grundsätzlich wieder uneingeschränkt tätig sein. Allerdings bleibt ein Reputationsschaden. Es liegt nun auch an der Politik, zur Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren und solche Maßnahmen künftig mit deutlich mehr Augenmaß zu prüfen – gerade wenn es um die Pressefreiheit geht.


Herr Blazek, vielen Dank für das Gespräch.

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