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„Die öffentlich-rechtlichen Sender sind keine Selbstbedienungsläden“

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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Ein Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek zur Entscheidung des LG München I gegen die Nutzung öffentlich-rechtlicher Mediatheksinhalte durch eine private Medienplattform

Frage: Herr Blazek, das Landgericht München hat einer privaten Medienplattform untersagt, Inhalte zweier öffentlich-rechtlicher Sender ohne Einwilligung auf ihrer Plattform zu verwenden. Was ist aus Ihrer Sicht der rechtliche Kern dieser Entscheidung?

Daniel Blazek: Im Mittelpunkt steht der § 80 Medienstaatsvertrag. Dieser schützt die Signalintegrität und gibt den öffentlich-rechtlichen Sendern das alleinige Verfügungsrecht über ihre Inhalte. Ohne deren ausdrückliche Zustimmung dürfen Inhalte weder übernommen noch vermarktet oder verändert eingebettet werden – auch nicht auszugsweise oder zu scheinbar guten Zwecken. Das Gericht hat klargestellt: Eine Plattform darf öffentlich-rechtliche Inhalte nicht einfach zweitverwerten, auch wenn sie über Gebühren finanziert wurden.

Frage: Die Beklagte berief sich unter anderem auf das „Embedding“ – also eine Form der Einbindung, die im Urheberrecht grundsätzlich erlaubt ist. Warum greift dieses Argument hier nicht?

Blazek: Das ist ein wichtiger Punkt. Das Gericht hat ausdrücklich betont: Was urheberrechtlich erlaubt sein mag, kann medienrechtlich unzulässig sein. Der Medienstaatsvertrag geht hier weiter und stellt höhere Anforderungen, gerade wenn Inhalte in andere Plattformangebote eingebettet werden. Hier geht es nicht nur um Urheberrechte, sondern auch um den Schutz der redaktionellen Hoheit und die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Anbieter – in diesem Fall der öffentlich-rechtlichen Sender.

Frage: Die Plattform hat argumentiert, die Sender seien doch zur Verbreitung verpflichtet. Schließlich zahlten deren Nutzer Rundfunkbeiträge. Ein berechtigter Einwand?

Blazek: Nein. Die Verpflichtung zur Verbreitung bedeutet nicht, dass die Inhalte über jede erdenkliche Plattform verfügbar gemacht werden müssen. Die Sender entscheiden selbst, wo und wie sie ihre Programme veröffentlichen – das kann ihre eigene Mediathek sein oder lizenzierte Drittangebote. Die Vorstellung, jeder Gebührenzahler könne einen rechtlichen Anspruch auf Weiterverbreitung über jede x-beliebige Plattform ableiten, ist weder gesetzlich noch praktisch haltbar.

Frage: Die Inhalte wurden teilweise auch hinter einer Bezahlschranke angeboten. Spielt das eine Rolle?

Blazek: Absolut. Das Gericht hat sehr deutlich gemacht, dass eine entgeltliche Vermarktung ohne Zustimmung der Sender unzulässig ist. Auch bei werbefinanzierten oder registrierungspflichtigen Angeboten muss geprüft werden, ob ein kommerzieller Mehrwert entsteht. Das ist hier offenbar der Fall gewesen. Damit verstößt das Vorgehen klar gegen § 80 Abs. 1 Nr. 3 Medienstaatsvertrag.

Frage: Die Beklagte berief sich auch auf das Kartellrecht – mit dem Argument, die öffentlich-rechtlichen Sender blockierten in unzulässiger Weise den Wettbewerb. Was sagt das Gericht dazu?

Blazek: Die Kammer hat klargestellt, dass kein kartellrechtswidriges Verhalten der Kläger vorliegt. Die Sender haben ein berechtigtes Interesse, ihre Inhalte zu schützen und die Kontrolle über ihre Verbreitung zu behalten. Solange sie nicht willkürlich handeln oder gezielt Marktteilnehmer diskriminieren, ist das kartellrechtlich unproblematisch. Das Gericht sah hier keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.

Frage: Wie schätzen Sie die Bedeutung des Urteils ein?

Blazek: Es ist ein wichtiges Signal für die Medienlandschaft. Plattformanbieter – auch innovative oder neue Player – müssen sich an rechtliche Rahmen halten. Der Wunsch nach Reichweite oder Nutzerbindung darf nicht über geltendes Recht gestellt werden. Die Entscheidung stärkt die Position der öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch allgemein die Rechte von Inhalteanbietern. Und sie zeigt: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch rechtlich erlaubt.

Frage: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Rechnen Sie mit einer Berufung?

Blazek: Davon ist auszugehen. Aber selbst wenn der Fall in die nächste Instanz geht – die grundsätzliche Richtung ist durch dieses Urteil klar: Fremde Inhalte darf man nicht einfach „mitnehmen“ – schon gar nicht, wenn es ums Geschäft geht.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Blazek.

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