Der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome Powell brachte es vergangene Woche auf den Punkt:
„Der beste Weg, das Problem der Lebenshaltungskosten in den USA zu lösen, ist es, den Arbeitnehmern höhere Löhne zu zahlen.“
Doch genau hier liegt das Problem – auch diese Lösung funktioniert derzeit nicht. Der US-Arbeitsmarkt stagniert seit Monaten, und das Lohnwachstum nimmt seit über drei Jahren kontinuierlich ab. Am Dienstag wird das US-Arbeitsministerium (Bureau of Labor Statistics) die verzögerten Arbeitsmarktdaten für Oktober und November veröffentlichen, die mehr Klarheit bringen sollen.
Preisgefühle bleiben trotz sinkender Inflation hoch
Trotz über zwei Jahren, in denen die Löhne im Schnitt schneller als die Preise gestiegen sind, bleibt die Erschwinglichkeit laut Umfragen weiterhin das drängendste Problem für viele Amerikaner. Der Grund: Die Menschen haben sich bislang nicht an das Preisniveau gewöhnt, das nach dem Inflationsschub auf ein 40-Jahres-Hoch vor einigen Jahren sprunghaft angestiegen war.
Wirtschaftsexperten, Unternehmer und Politiker diskutieren verschiedenste Ansätze – von Subventionen für Gesundheit und Wohnen bis hin zum Abbau von Handelszöllen. Doch Powell schlug vergangene Woche eine einfache, klare Lösung vor:
„Zahlen wir den Menschen einfach mehr.“
„Wir werden einige Jahre brauchen, in denen die Reallöhne steigen, damit sich die Menschen wieder mit ihren Ausgaben wohlfühlen“, sagte er bei einer Pressekonferenz nach dem jüngsten Zinsschritt der Fed. „Wir versuchen, die Inflation im Griff zu behalten und gleichzeitig den Arbeitsmarkt sowie starke Löhne zu fördern, damit die Menschen finanziell wieder durchatmen können.“
Niedrigere Zinsen sollen Jobwachstum ankurbeln – in der Theorie
Die Hoffnung: Mit niedrigeren Leitzinsen wird Geld für Unternehmen billiger, was Investitionen und Neueinstellungen begünstigt. Ein belebter Arbeitsmarkt soll den Wettbewerb um Fachkräfte verstärken – mit dem Ziel, dass Löhne steigen und damit auch das subjektive Gefühl von „Erschwinglichkeit“.
Doch: So einfach ist das nicht.
Löhne steigen langsamer, Jobwachstum stockt
Im März 2022 wuchs der durchschnittliche Stundenlohn in den USA noch um 5,9 % jährlich – mittlerweile sind es nur noch 3,8 %. Das liegt zum einen daran, dass die Inflation zurückgeht und Arbeitgeber geringere Teuerungszuschläge zahlen. Zum anderen ist aber auch die Nachfrage nach Arbeitskräften rückläufig.
Die Zahl der neu geschaffenen Jobs liegt 2025 bei durchschnittlich nur noch 76.000 pro Monat – weniger als die Hälfte des Durchschnitts von 2024 und kaum ausreichend, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten.
Zeiten des Job-Booms sind vorbei
Die Ära nach der Pandemie, in der Arbeitnehmer selbstbewusst kündigten („Quiet Quitting“) oder hohe Gehaltsforderungen stellten, ist vorbei. Immer weniger Menschen verlassen freiwillig ihren Job – die Kündigungsrate fiel im Oktober auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren, wie das Statistikamt berichtete.
Für Unternehmen bedeutet das: Weniger Personalfluktuation, weniger Notwendigkeit, höhere Gehälter zu zahlen.
Lichtblick: Neueinstellungen geplant
Es gibt jedoch erste Anzeichen einer Belebung:
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Die Zahl offener Stellen stieg im Oktober auf ein Fünfmonatshoch.
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Laut einer Umfrage des Verbands kleiner Unternehmen (NFIB) planen 19 % der kleinen Betriebe im November neueinstellungen – der höchste Wert seit drei Jahren.
Gefahr: Steigende Zölle könnten Erholung torpedieren
Zeitgleich belasten neue Zölle unter Präsident Donald Trump zunehmend die Gewinnmargen der Unternehmen. Bisher haben viele Firmen rund 80 % der Mehrkosten selbst getragen, doch laut JPMorgan werden die verbleibenden Kosten ab 2026 zunehmend an Verbraucher weitergegeben – in Form steigender Preise.
Das heißt: Selbst wenn die Löhne wieder steigen, könnten höhere Preise den Zugewinn sofort auffressen – und das Erschwinglichkeitsproblem bliebe bestehen.
Fed vor Zinspause – was heißt das für den Arbeitsmarkt?
Die US-Notenbank hat signalisiert, dass ihre Zinssenkungsserie vorerst pausiert. Auch wenn Zinsschritte erst mit Verzögerung wirken, bedeutet ein Stopp: Weniger Rückenwind für den Arbeitsmarkt – in einer Phase, in der dieser Unterstützung dringend brauchen könnte.
Fazit: Kein schneller Ausweg in Sicht
Wenn sich die Lage beim Jobwachstum nicht dreht und die Reallöhne nicht spürbar steigen, wird sich auch das Gefühl der finanziellen Belastung in der US-Bevölkerung kaum verbessern.
Diese Woche dürfte entscheidend werden:
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Dienstag: Arbeitsmarktzahlen
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Donnerstag: Inflationsdaten
Aber: Schnelle Lösungen sind nicht in Sicht.
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