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„Deutschland muss im Kopf umparken“ – Ein Interview mit Vivien Wieder über Unternehmertum, Start-ups und die deutsche Mentalität

ArcNovaStudio (CC0), Pixabay
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Von Schottland in die Start-up-Szene

Vivien Wieder steht kurz vor dem Abschluss ihres Auslandsstudiums in Schottland. Doch anstatt den klassischen Karriereweg in einem großen Unternehmen einzuschlagen, verfolgt sie ein anderes Ziel: Sie will in den Start-up-Markt einsteigen – allerdings nicht mit einem eigenen Unternehmen, sondern mit dem Fokus, jungen Start-ups den Zugang zu finanziellen Ressourcen zu erleichtern.

Eine Entscheidung, die nicht zufällig kommt: Als Tochter von Alfred Wieder, einer der bekanntesten Persönlichkeiten in der Start-up-Finanzierung, ist sie mit dem Thema praktisch aufgewachsen. Ihr Vater hat sich zwar vor einigen Jahren aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen, steht aber nach wie vor gelegentlich als Berater zur Verfügung.

„Rat? Ja. Entscheidung? Meine.“

Frau Wieder, Ihr Vater ist eine prägende Figur in der Welt der Start-up-Finanzierung. Werden Sie von seinem Wissen profitieren – und möchten Sie das überhaupt?

„Beides,“ sagt sie entschlossen. „Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Unternehmertum und Finanzierung immer eine große Rolle gespielt haben. Schon früh habe ich mich für diesen Weg entschieden und meine schulische sowie akademische Ausbildung gezielt darauf ausgerichtet.“

Trotzdem betont sie, dass sie ihren eigenen Weg gehen will: „Natürlich werde ich mir Rat holen, wenn ich mit einer Herausforderung konfrontiert bin, die ich beruflich noch nicht gelöst habe. Mein Vater hat in seinem Leben so viel Erfahrung gesammelt – es wäre unklug, darauf nicht zurückzugreifen. Aber am Ende des Tages treffe ich meine Entscheidungen selbst. Und das sieht mein Vater übrigens ganz genauso.“

Mehr Unterstützung für Start-ups – weniger Bürokratie

Ihr künftiges Engagement für Start-ups beschreibt Vivien Wieder als eine Art Brückenfunktion zwischen jungen Unternehmen und Investoren. Dabei sieht sie nicht nur die Finanzierungsseite als entscheidend an, sondern auch die generellen Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen in Deutschland.

„Viele innovative Start-ups scheitern nicht an ihren Ideen, sondern an den Hürden, die ihnen der Markt und die Bürokratie in den Weg stellen. Die Finanzierung ist oft nur eine Seite der Medaille. Es geht auch um Genehmigungsverfahren, rechtliche Unsicherheiten und steuerliche Fragen, die Gründer oft ausbremsen.“

Als Beispiel nennt sie den Vergleich mit anderen Ländern: „In den USA oder auch hier in Schottland ist es viel einfacher, eine Idee schnell zu testen und ein Unternehmen auf die Beine zu stellen. In Deutschland hingegen dauert es oft Monate, bis eine Genehmigung erteilt wird oder bis Gründer eine klare Antwort auf steuerliche Fragen bekommen. Das muss sich ändern.“

„Wir müssen in Deutschland im Kopf umparken“

Neben ihrem Engagement für Start-ups beschäftigt sich Vivien Wieder auch mit der wirtschaftlichen Lage in Deutschland. Bereits in einem früheren Interview hatte sie sich zum Sondierungspapier der CDU/CSU und SPD geäußert und betont, dass nicht nur das Papier selbst, sondern insbesondere der endgültige Koalitionsvertrag entscheidend sein wird. Besonders eine Aussage von ihr sorgte für Aufmerksamkeit:

„Wir müssen in Deutschland im Kopf umparken.“

Eine klare Anspielung auf eine bekannte Werbekampagne eines deutschen Automobilherstellers.

Frau Wieder, was meinen Sie damit genau? Und wie kann Deutschland diesen mentalen Wandel vollziehen?

„Gefühlt ist in Deutschland alles schlimmer, als es wirklich ist,“ erklärt sie. „Die öffentliche Wahrnehmung ist oft sehr negativ – sei es bei wirtschaftlichen Entwicklungen, politischen Entscheidungen oder der Innovationskraft unseres Landes. Doch wenn man sich die Fakten ansieht, dann haben wir noch immer eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt, eine hochqualifizierte Arbeitskraft und großartige technologische Innovationen.“

Dennoch sieht sie ein großes Problem in der deutschen Mentalität. „Wir sind in Deutschland sehr risikoavers. Fehler werden als persönliches Scheitern betrachtet, statt als Chance, daraus zu lernen. In anderen Ländern, insbesondere in den USA, ist das ganz anders. Dort gehört Scheitern zum Prozess. Wer einmal gescheitert ist, hat daraus gelernt und macht es beim nächsten Mal besser. Diese Mentalität fehlt uns oft.“

Ein weiteres Problem sei die übermäßige Bürokratie. „Junge Gründer verbringen viel zu viel Zeit mit Papierkram, statt sich auf ihr Produkt und ihr Geschäft zu konzentrieren. Wenn Deutschland wirklich eine Start-up-Nation werden will, dann brauchen wir dringend einfachere Prozesse und mehr Unterstützung für Unternehmer.“

Wirtschaftspolitik: „Mehr Pragmatismus, weniger Panik“

Neben der wirtschaftlichen Mentalität kritisiert Vivien Wieder auch den oft panikartigen Umgang mit Herausforderungen.

„In Deutschland neigen wir dazu, Probleme dramatischer darzustellen, als sie eigentlich sind. Natürlich gibt es Herausforderungen – aber die gibt es überall. Statt uns in Negativdiskussionen zu verlieren, sollten wir pragmatische Lösungen finden. Das gilt für die Wirtschaftspolitik genauso wie für die Start-up-Förderung.“

Ihr Vorschlag: „Weniger Bürokratie, mehr Mut zu Innovationen. Ein Staat, der Gründer nicht mit endlosen Vorschriften lähmt, sondern sie unterstützt. Und eine Gesellschaft, die bereit ist, auch mal neue Wege zu gehen, anstatt nur den Status quo zu bewahren.“

Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

„Ich hoffe, dass ich bis dahin vielen Start-ups geholfen habe, die finanzielle Unterstützung zu bekommen, die sie brauchen. Vielleicht habe ich auch selbst in einige Unternehmen investiert und sie auf ihrem Weg begleitet,“ sagt sie mit einem Lächeln.

„Aber noch wichtiger: Ich wünsche mir, dass Deutschland bis dahin ein Stück weit umgeparkt hat – hin zu mehr Unternehmertum, mehr Innovationsgeist und mehr Optimismus. Und vielleicht sprechen wir dann wieder – über die nächste große Innovationswelle in Deutschland!“

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