Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek zum BGH-Urteil zur urheberrechtlichen Zulässigkeit von Werbeblockern
Redaktion: Herr Blazek, der Bundesgerichtshof hat im Urteil „Werbeblocker IV“ entschieden, dass die bisherigen Instanzen nicht abschließend beurteilen konnten, ob durch den Einsatz eines Werbeblockers in urheberrechtlich geschützte Computerprogramme eingegriffen wird. Wie bewerten Sie dieses Urteil?
Daniel Blazek: Der BGH bleibt seiner Linie treu und achtet streng darauf, dass Urteile auf einer klaren Tatsachengrundlage und einer nachvollziehbaren juristischen Subsumtion beruhen. Das bedeutet nicht, dass der Werbeblocker per se rechtswidrig wäre – aber es wurde auch nicht kategorisch ausgeschlossen, dass ein Eingriff in urheberrechtlich geschützte Programme vorliegt. Der BGH schafft Raum für eine vertiefte Prüfung, nicht für eine Vorverurteilung.
Redaktion: Es geht also nicht um das Verbot von Werbeblockern?
Blazek: Nein, keineswegs. Die technische Existenz und Nutzung von Werbeblockern ist an sich zulässig. Die Frage ist hier, ob ein konkreter Werbeblocker bei seiner Funktionsweise in ein urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm eingreift – und zwar im Sinne des § 69c UrhG. Also durch Umarbeitung oder Vervielfältigung von Programmteilen. Das ist juristisch eine komplexe technische Abwägung, die nun das Berufungsgericht nachholen muss.
Redaktion: Im Urteil wird auch die Rolle des „Bytecodes“ und der Browser-Engines thematisiert. Warum ist das wichtig?
Blazek: Der BGH hat deutlich gemacht, dass moderne Browser wie Chrome oder Firefox mit sogenannten virtuellen Maschinen arbeiten, die keinen klassischen Objektcode ausführen, sondern Zwischencodes interpretieren. Ob dieser Bytecode – oder der daraus entstehende „Laufzeitcode“ – urheberrechtlich geschützt ist, ist technisch wie juristisch heikel. Es geht darum, ob dieser Code Ausdruck einer schöpferischen Leistung ist. Wenn ja, könnte ein Eingriff durch Werbeblocker eine unzulässige Umarbeitung darstellen.
Redaktion: Was bedeutet das für Webseitenbetreiber, die sich gegen Adblocker wehren wollen?
Blazek: Der Ball liegt jetzt wieder beim Berufungsgericht. Sollte sich dort herausstellen, dass tatsächlich urheberrechtlich relevante Programmteile verändert oder beeinflusst werden, könnten Webseitenbetreiber erfolgreich Unterlassungsansprüche durchsetzen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie nachweisen können, dass ihr HTML/CSS/JS-Code – oder eben der daraus erzeugte Bytecode – die nötige Schöpfungshöhe erreicht. Das ist bei standardisierten Webtechniken nicht trivial.
Redaktion: Und was bedeutet das für Nutzer?
Blazek: Für Endnutzer ändert sich erstmal nichts. Das Urteil betrifft primär den Vertrieb der Software und die Rechte der Entwickler. Die private Nutzung von Werbeblockern ist urheberrechtlich nicht per se untersagt. Spannend bleibt aber, ob es künftig engere Schranken für Plug-ins geben wird, die – aus Sicht der Rechteinhaber – aktiv in Content eingreifen.
Redaktion: Herr Blazek, vielen Dank für Ihre Einschätzung!
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