Die EU-Kommission hat in Brüssel ein umfassendes Digitalpaket vorgestellt, das auf den ersten Blick wie eine ersehnte Entlastung für Internetnutzer wirkt: Weniger lästige Cookie-Banner, weniger Klicks, mehr Komfort. Doch hinter dem scheinbar nutzerfreundlichen Vorschlag verbirgt sich ein viel größeres Reformprojekt, das weit hineinreicht in Datenschutz, Cybersicherheit und das europäische KI-Gesetz – und genau das sorgt für massiven Gegenwind.
Die zentrale Frage, die Kritiker aufwerfen:
Schützt die EU hier Verbraucher – oder die Tech-Konzerne?
Weniger Cookie-Banner: Erleichterung oder Einfallstor?
Die Kommission will die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) modernisieren. Cookie-Abfragen sollen seltener erscheinen. Aktivitäten, die „harmlos und technisch notwendig“ sind, sollen künftig keine Einwilligung mehr erfordern.
Zudem sollen Nutzer Cookie-Präferenzen direkt im Browser speichern können – ein Schritt, der die Zahl der Banner tatsächlich reduzieren könnte.
Für viele klingt das nach einer Erleichterung. Doch Verbraucherschützer warnen:
Je weniger gefragt wird, desto mehr kann im Hintergrund passieren, ohne dass Nutzer es bemerken.
Die Sorge: Ein ungeregeltes „Einfallstor“ für subtilere Tracking-Methoden und ausgeweitete Datenverarbeitung.
EU-Digitalpaket: Cookie-Reform nur ein Teil des Omnibus-Projekts
Das Cookie-Thema ist nur ein Baustein eines viel größeren Vorhabens:
Das EU-Omnibus-Projekt, das zahlreiche bisher getrennte Gesetzestexte im neuen „EU-Data-Act“ bündeln soll.
Enthalten sind u. a.:
-
Neuregelungen zu Cybersicherheitsmeldungen (Unternehmen sollen nur noch bei einer zentralen Stelle melden müssen)
-
Vereinheitlichung von Behördenverfahren
-
Anpassungen der Datenschutzstandards
-
Und vor allem: eine Entschärfung des KI-Gesetzes
Und genau an diesem Punkt entzündet sich der heftigste Streit.
EU will KI-Gesetz abschwächen – vor Inkrafttreten
Das europäische KI-Gesetz (AI Act) gilt weltweit als Pionierarbeit:
Es soll regeln, wie Systeme wie ChatGPT, Gemini & Co. trainiert werden dürfen, welche Sicherheitsvorgaben gelten und wie Risiken eingestuft werden.
Doch die Tech-Branche hatte massiv Druck gemacht:
Zu streng, zu teuer, zu schnell – so lauteten die Vorwürfe.
Nun schlägt die Kommission vor, die Umsetzung um 16 Monate zu verschieben, auf Dezember 2027. Kritiker warnen:
Das könne die Wirksamkeit des Schutzrechts entscheidend schwächen.
„Kapitulation vor den Tech-Konzernen“ – massive Kritik am Kurswechsel
In einem offenen Brief von über 120 Organisationen, darunter Datenschutzinitiativen und Menschenrechtsgruppen, heißt es:
„Die EU-Digitalregeln sind die wichtigste Verteidigungslinie gegen digitale Ausbeutung und Überwachung.“
Auch politische Kritik bleibt nicht aus:
-
Katarina Barley (SPD) warnt vor „erheblichen Risiken“, sollte die Regulierung ausgesetzt werden.
-
Datenschützer fürchten um Transparenz und Nutzerrechte.
-
Branchenexperten sprechen von einem „gefährlichen Signal“, insbesondere angesichts der globalen Konkurrenz zwischen USA, China und Europa.
Doch auch Gegenstimmen sind laut – und kommen aus der höchsten Politik:
Beim deutsch-französischen Digitalgipfel forderten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Friedrich Merz weniger strenge Vorgaben, um Europas Tech-Industrie nicht auszubremsen.
Zwischen Regulierung und Realität: Das digitale Dilemma Europas
Die EU steht damit erneut vor einem Grundkonflikt:
-
Wie schützt man Bürger effektiv,
-
während man gleichzeitig europäische Unternehmen konkurrenzfähig hält,
-
ohne einem Lobbydruck nachzugeben,
-
und ohne den digitalen Rückstand weiter zu verschärfen?
Die Debatte um Consent-Banner ist nur die Oberfläche eines viel tieferen Grabens zwischen Datenschutz, Innovation und politischem Einfluss.
Fazit: Weniger Klicks – aber zu welchem Preis?
Was für Nutzer harmlos klingt („Weniger nervige Cookie-Banner!“), könnte langfristig ein Umbau des europäischen Digitalrechts bedeuten – mit Auswirkungen auf:
-
Datenschutz
-
Cybersicherheit
-
KI-Standards
-
Rechte von Bürgern
-
Einfluss globaler Tech-Konzerne
Ob das neue EU-Digitalpaket ein Fortschritt oder ein Rückschritt ist, wird sich erst zeigen. Sicher ist nur:
Die Diskussion darüber wird noch lange nicht enden.
Kommentar hinterlassen