Im Frühjahr 2024 schien für den chinesischen Unternehmer Li Hongxing alles nach einem Erfolg auszusehen. Der erfahrene Marketingmann übernahm die Werbung für das junge E-Auto-Start-up Ji Yue, das als Hoffnungsträger der Branche galt. So überzeugt war er, dass er sogar Kredite aufnahm, um Werbekampagnen vorzufinanzieren. Doch nur ein halbes Jahr später war das Unternehmen pleite – Li blieb auf Schulden in Höhe von rund 40 Millionen Yuan (5,6 Millionen US-Dollar) sitzen.
Das Schicksal von Ji Yue ist kein Einzelfall. In den vergangenen Jahren sind in China Hunderte Marken im Elektroauto-Sektor verschwunden. Zwar haben es Hersteller wie BYD zu Weltmarktführern gebracht, gleichzeitig herrscht jedoch massive Überproduktion. Hunderte Firmen konkurrieren um Marktanteile – ein Preiskampf, der Gewinne auffrisst und ganze Lieferketten belastet.
Subventionen, Wachstum – und Chaos
Chinas Regierung hatte die E-Mobilität seit den 2000er Jahren massiv gefördert und mit Subventionen den größten E-Auto-Markt der Welt geschaffen. Die Folge: zeitweise fast 500 Marken. Doch die Euphorie schlug in einen „Überlebenskampf“ um, wie Branchenkenner sagen. Hersteller drücken die Preise, zwingen Zulieferer zu Rabatten von über 40 Prozent und strecken Zahlungsfristen monatelang. Gewinnmargen schrumpften zuletzt auf 4,3 Prozent – halb so viel wie 2017.
Ein Brancheninsider fasste es drastisch zusammen: „Wenn nicht du untergehst, dann eben der andere.“
Weltweite Expansion – und Widerstand
Trotz dieser Probleme im Inland exportieren chinesische Hersteller wie BYD, Chery, Geely oder Changan inzwischen Millionen Fahrzeuge pro Jahr. 2023 überholte China mit fast sechs Millionen exportierten Autos sogar Japan als Exportweltmeister. Doch das weckt auch Misstrauen: Die EU, Mexiko und Kanada haben bereits mit Zöllen und Auflagen reagiert.
Peking will eingreifen
Staatschef Xi Jinping selbst sprach kürzlich in einem Parteimagazin von „chaotischen, zerstörerischen Preiskriegen“ und kündigte Maßnahmen an. Behörden haben Autohersteller einbestellt, Regeln zur schnelleren Bezahlung von Zulieferern erlassen und Subventionen auf lokaler Ebene zurückgefahren. Doch Ökonomen bezweifeln, dass dies reicht.
Eine simple Kapazitätskürzung wäre zwar marktwirtschaftlich sinnvoll, könnte aber Millionen Arbeitsplätze gefährden – allein die Autoindustrie beschäftigt in China rund 4,8 Millionen Menschen. „Die Branche steckt in einem Teufelskreis aus Überproduktion, Preisdruck und sinkender Qualität“, warnen Analysten.
Blick nach vorn
Der Preiskampf dürfte nach Einschätzung vieler Experten noch Jahre dauern. Branchenführer wie He Xiaopeng (Xpeng) rechnen damit, dass in fünf Jahren nur noch eine Handvoll Hersteller übrig sein wird.
Bis dahin bleibt der Wettlauf um Marktanteile brutal – und zeigt, wie schwer es für Peking sein wird, das Spannungsfeld zwischen Wirtschaftswachstum, Innovation und sozialer Stabilität in den Griff zu bekommen.
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