Rund sechs Monate nach Inkrafttreten der Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland zieht ein Forschungsteam aus Hamburg, Düsseldorf und Tübingen eine erste Zwischenbilanz – und die fällt deutlich ernüchternder aus als von vielen erwartet.
Die heute in Berlin vorgestellte Untersuchung zeigt: Weder ist der Konsum von Cannabis in der Bevölkerung explodiert – noch ist der Schwarzmarkt, gegen den die Legalisierung vor allem wirken sollte, nennenswert zurückgedrängt worden. Besonders deutlich wird: Die gesetzlich vorgesehenen Anbauvereine, die als Eckpfeiler der kontrollierten Abgabe galten, verfehlen derzeit ihre Wirkung.
Viel Hoffnung, wenig Wirkung: Anbauvereine liefern weniger als 1 % des Bedarfs
Mit dem zum 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz wurde Erwachsenen in Deutschland der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum sowie der Anbau von bis zu drei Pflanzen zum Eigenbedarf erlaubt. Parallel dazu wurde die Möglichkeit geschaffen, Cannabis gemeinschaftlich über sogenannte Anbauvereine („Cannabis Social Clubs“) zu produzieren und zu verteilen.
Doch laut den nun vorgelegten Forschungsergebnissen ist der Beitrag dieser Clubs zur legalen Versorgung verschwindend gering. Nach Berechnungen der Wissenschaftler deckt die über Anbauvereine produzierte Menge weniger als ein Prozent des geschätzten Jahresbedarfs in Deutschland.
„Die Anbauvereine befinden sich überwiegend noch im Aufbau und können bislang kaum als Alternative zum Schwarzmarkt betrachtet werden“, heißt es in dem Bericht. Bürokratische Hürden, Genehmigungsverfahren, fehlende Erfahrung sowie teilweise unklare gesetzliche Vorgaben bremsen den Aufbau der Infrastruktur.
Schwarzmarkt bleibt stabil – Konsumenten greifen weiter auf illegale Quellen zurück
Während der legale Vertrieb ins Stocken geraten ist, zeigt sich der Schwarzmarkt von der Gesetzesänderung weitgehend unbeeindruckt. Nach Angaben der Forscherinnen und Forscher ist die illegale Versorgungslage weiterhin dominant, sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum.
Insbesondere jugendliche und junge erwachsene Konsumenten greifen laut Studie nach wie vor überwiegend auf den illegalen Markt zurück, da dieser niedrigschwelliger, schneller und oftmals günstiger sei – wenn auch mit unkontrollierten Wirkstoffgehalten und Risiken durch Streckmittel.
Die Hoffnung, durch die Legalisierung den Schwarzmarkt auszutrocknen, hat sich bislang nicht erfüllt.
Keine Konsumexplosion – Rückgang bei Jugendlichen
Trotz aller Warnungen und hitzigen Debatten vor der Teillegalisierung hat sich der befürchtete „Cannabis-Boom“ nicht eingestellt. Die Forscher stellten fest, dass der Konsum in der Gesamtbevölkerung weitgehend konstant geblieben ist. Besonders bemerkenswert:
Bei Jugendlichen setzt sich ein bereits zuvor beobachteter Rückgang im Konsumverhalten fort.
Dieser Trend wird von den Wissenschaftlern vorsichtig als positives Signal gewertet, auch wenn weitere Forschung notwendig sei, um Kausalzusammenhänge zu klären. Der Zugang zu legalem Cannabis ist für Minderjährige weiterhin verboten, und offenbar wirken begleitende Maßnahmen wie Aufklärungskampagnen und Schulprävention.
Wissenschaftler mahnen realistische Erwartungen an
Die Studie macht deutlich: Die Legalisierung ist kein Allheilmittel. Sie sei, so die Einschätzung der Forschenden, kein radikaler Schnitt, sondern vielmehr ein komplexer Transformationsprozess, der Zeit, politische Konsequenz und gesellschaftliche Begleitung erfordert.
„Die Teillegalisierung allein verändert weder die Marktstruktur noch das Konsumverhalten tiefgreifend“, betonen die Autoren. Vielmehr müsse das neue System konsequent weiterentwickelt und professionalisiert werden – etwa durch:
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zügige Zulassung neuer Anbauvereine,
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klare und realitätsnahe gesetzliche Rahmenbedingungen,
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Stärkung staatlicher und zivilgesellschaftlicher Präventionsarbeit,
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Aufbau eines künftigen legalen Fachhandels, wie im zweiten Reformschritt geplant.
Politische Debatte geht weiter
Die Forschungsergebnisse dürften neue Impulse in die politische Debatte bringen. Während Legalisierungsbefürworter die ausbleibende Konsumsteigerung als Erfolg werten könnten, sehen Kritiker sich durch den fortbestehenden Schwarzmarkt in ihrer Skepsis bestätigt.
Zugleich offenbart sich: Eine rein gesetzliche Freigabe ohne funktionierende Infrastruktur wird der Realität des Konsumalltags nicht gerecht. Der entscheidende Kampf spielt sich nicht allein im Bundesgesetzblatt ab, sondern auf der Straße, in den Vereinen, bei den Jugendlichen und in der Aufklärung.
Fazit:
Die Teillegalisierung von Cannabis ist bislang weder gescheitert noch ein voller Erfolg – sondern ein Prozess mit gemischter Bilanz. Die kommenden Monate und die geplanten weiteren Reformschritte – insbesondere die Einführung eines kommerziellen Fachhandels in Modellregionen – werden zeigen, ob aus der Hoffnung auf einen regulierten Cannabismarkt tatsächlich Realität werden kann.
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