Die Europäische Union hatte sich viel vorgenommen. Weniger Vorschriften, schlankere Verfahren, mehr Tempo für Unternehmen – so lautete das Versprechen der EU-Kommission, mit dem Europas Wirtschaft wieder wettbewerbsfähiger werden sollte. Doch ein Blick auf die Realität des Jahres 2025 zeichnet ein ganz anderes Bild: Statt Entlastung gibt es einen neuen Rekord an Bürokratie.
Nach aktuellen Zahlen wurden von Januar bis Ende Oktober dieses Jahres nahezu tausend neue Durchführungsrechtsakte beschlossen. Diese Akte regeln die konkrete Umsetzung bestehender EU-Vorschriften und reichen tief in den betrieblichen Alltag hinein – von Messverfahren über Dokumentationspflichten bis hin zu detaillierten technischen Vorgaben. Noch nie zuvor hat die Kommission in so kurzer Zeit so viele dieser Regelwerke verabschiedet.
Für Unternehmen bedeutet das: mehr Formulare, mehr Kontrollen, mehr Aufwand. Während politische Strategiepapiere den Abbau von Vorschriften versprechen, wächst parallel der Regelungsdschungel weiter. Die Zahl der Durchführungsrechtsakte ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen – und erreicht nun einen neuen Höchststand. Viele Betriebe berichten, dass Produktionsprozesse dadurch nicht nur teurer, sondern auch langsamer und komplizierter werden.
Besonders kritisch sehen Wirtschaftsvertreter, dass ein großer Teil dieser Detailregelungen ohne breite öffentliche Debatte entsteht. Die Folge sei eine zunehmende Entfremdung zwischen politischen Ankündigungen und wirtschaftlicher Realität. Statt Freiräume zu schaffen, führe die stetige Ausweitung von Vorgaben zu einer faktischen Überregulierung, die gerade mittelständische Unternehmen stark belastet.
Der internationale Vergleich verschärft die Sorgen zusätzlich. Während andere Wirtschaftsräume gezielt auf Flexibilität, Innovation und Geschwindigkeit setzen, verliert Europa nach Ansicht vieler Beobachter weiter an Boden. Die Konkurrenz aus den USA und aus Asien wächst – und sie profitiert von einfacheren Rahmenbedingungen und schnelleren Entscheidungswegen.
Zwar gibt es einen kleinen Lichtblick: Die Zahl der sogenannten delegierten Rechtsakte, mit denen bestehende EU-Gesetze geändert werden, ist zuletzt zurückgegangen. Doch dieser Rückgang kann den massiven Anstieg bei den Durchführungsrechtsakten kaum ausgleichen. Für viele Unternehmen bleibt daher der Eindruck, dass Brüssel zwar von Bürokratieabbau spricht, in der Praxis jedoch weiter neue Hürden aufbaut.
Die Debatte dürfte sich in den kommenden Monaten zuspitzen. Denn eines steht fest: Wenn Europa wirtschaftlich mithalten will, reicht es nicht, weniger Bürokratie anzukündigen – sie muss auch tatsächlich spürbar weniger werden.
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