Die Europäische Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakei eröffnet. Anlass ist eine jüngst verabschiedete Verfassungsänderung, die nach Ansicht der Kommission die Rechte von LGBTQ-Menschen massiv einschränkt und zugleich zentrale europäische Rechtsgrundsätze verletzt.
Worum es der EU konkret geht
Die Slowakei hatte ihre Verfassung unter der Regierung von Robert Fico dahingehend geändert, dass künftig nur verheiratete Paare ein Kind adoptieren dürfen. Da gleichgeschlechtliche Paare in der Slowakei nicht heiraten können, werden sie dadurch faktisch vollständig von Adoptionen ausgeschlossen.
Die EU-Kommission sieht darin nicht nur eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, sondern einen klaren Fall, in dem die Slowakei versucht habe, nationales Recht über EU-Recht zu stellen – ein schwerwiegender Verstoß gegen grundlegende europäische Rechtsprinzipien, insbesondere:
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Nichtdiskriminierung (Artikel 21 EU-Grundrechtecharta)
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Vorrang des EU-Rechts
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Achtung der Grundrechte und Freiheiten
Brüssel betonte, dass die EU-Mitgliedstaaten zwar über ihre Familien- und Adoptionsgesetze selbst entscheiden, jedoch nicht das Recht haben, durch nationale Verfassungsänderungen die geltenden EU-Grundrechte auszuhebeln.
Politischer Hintergrund: Ficos Kurs sorgt erneut für Konflikte
Die Initiative zur Verfassungsänderung stammt von Premierminister Robert Fico, der seit seinem Amtsantritt einen zunehmend nationalistischen und konservativen Kurs fährt. Seine Regierung hat bereits mehrfach Gesetze auf den Weg gebracht, die von Menschenrechtsorganisationen, EU-Institutionen und Oppositionsparteien kritisiert wurden.
Brüssel sieht in der neuen Adoptionsregelung ein gezieltes politisches Signal – und gleichzeitig einen Tabubruch: Verfassungsrechtlich festgeschriebene Diskriminierung sei mit den Werten der EU nicht vereinbar, so ein Sprecher der Kommission.
Wie es jetzt weitergeht
Mit dem Einleiten des Vertragsverletzungsverfahrens hat die EU-Kommission zunächst eine formelle Aufforderung an die Slowakei gesendet. Das Land hat nun zwei Monate Zeit, um zu reagieren und die beanstandeten Punkte auszuräumen.
Bleibt die Antwort unzureichend oder verweigert Bratislava Änderungen, kann die Kommission den Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bringen. Dort drohen der Slowakei empfindliche Konsequenzen:
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Verurteilung wegen Verstoßes gegen EU-Recht
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Zwangsgelder
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Reputationsschaden und politischer Druck
Deutliche Reaktionen aus Brüssel
Menschenrechtsorganisationen begrüßten den Schritt als „überfällig“. EU-Rechtsstaatlichkeitskommissarin Věra Jourová betonte, die Kommission werde „jede Form von institutionalisierter Diskriminierung“ verfolgen.
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