Zehn Tage vor der Bundestagswahl in Deutschland sorgt eine schreckliche Bluttat in München für Entsetzen – und für jede Menge politische Statements. Mindestens 30 Menschen wurden verletzt, einige davon schwer. Der mutmaßliche Täter: ein 24-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan. Und damit war die Richtung des Wahlkampfes für die nächsten Tage praktisch vorgegeben: Law and Order, Migrationspolitik, maximale Härte.
Während die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, überschlagen sich die Reaktionen aus der Politik. Es scheint, als hätte jeder Spitzenpolitiker bereits vor der Tat eine Schublade mit vorformulierten Statements für genau solche Situationen parat gehabt. Man will ja vorbereitet sein.
„Dieser Täter muss bestraft werden und das Land verlassen!“ – Die Reaktionen im Inland
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte vor einem Wahlkampfauftritt in Fürth, dass eine Tat wie diese „weder geduldet noch hingenommen werden“ könne. Er versprach, dass die Justiz „mit aller Härte“ gegen den Täter vorgehen werde. Zugleich verwies er darauf, dass bereits weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan für schwer kriminelle Straftäter geplant seien. Ob er selbst in seinem früheren Amt als Bundesarbeitsminister daran hätte mitarbeiten können, das Asylsystem effizienter zu gestalten, bleibt dabei unerwähnt.
CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zeigte sich auf der Plattform X gewohnt entschlossen: „Die Sicherheit der Menschen in Deutschland wird für uns an erster Stelle stehen. Wir werden Recht und Ordnung konsequent durchsetzen.“ Ob er damit einen völlig neuen Ansatz andeuten wollte oder einfach seine bisherigen Positionen in neuer Verpackung präsentiert, ließ er offen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ging einen Schritt weiter und warnte: „Wir können nicht von Anschlag zu Anschlag gehen und nur Betroffenheit zeigen.“ Klare Worte. Man fragt sich jedoch: Wer genau hatte diese Betroffenheitsroutine eigentlich etabliert?
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) legte nach und wies darauf hin, dass Deutschland der einzige europäische Staat sei, der trotz Taliban-Herrschaft nach Afghanistan abschiebe. Ein mutiger Schritt, der sicherlich allen anderen EU-Staaten als vorbildlich verkauft werden soll – wenn auch ohne deren Zustimmung.
„Wir brauchen eine Migrationswende!“ – AfD und FDP schießen scharf
Während FDP-Chef Christian Lindner betonte, dass bei ihm angesichts solcher Taten die „kalte Wut“ wachse, warf er der Regierung direkt Staatsversagen vor. Der AfD reichte das natürlich nicht. Alice Weidel, die Spitzenkandidatin der Partei, twitterte: „München, Aschaffenburg, Magdeburg, Solingen, Mannheim & viele andere Tatorte zeigen: Wir brauchen eine Migrationswende – und wir brauchen sie sofort!“
Ob diese Forderung tatsächlich zu konkreten Veränderungen führt, ist jedoch fraglich. Schließlich scheint die Partei bei jeder Gelegenheit mehr Wert darauf zu legen, medienwirksam in Dauerschleife „Rechtsbruch!“ zu rufen, als konstruktive Lösungen vorzuschlagen.
Die Rolle des Auslands: „Was läuft da eigentlich in Deutschland?“
Und wie sieht das Ausland die Auswirkungen der Tat auf den Wahlkampf? Viele internationale Beobachter verfolgen die Debatte mit einer Mischung aus Kopfschütteln und Schaudern. „Deutschland scheint mittlerweile bei jeder Krise reflexartig auf migrationspolitische Themen zu schwenken“, schrieb die britische Tageszeitung The Guardian. Die französische Le Monde fragte sarkastisch: „Braucht Deutschland wirklich einen Bundestagswahlkampf, oder reicht eine Liste der jüngsten Gewalttaten, um die Wähler zu mobilisieren?“
In den USA zeigt man sich irritiert über den Zusammenhang von Einzelfällen und Wahlkampfstrategie. Die New York Times berichtete, dass Deutschland zwar auf dem Papier als „Hort der Rechtsstaatlichkeit“ gelte, aber diese Debatten oft „wie Schlagzeilen aus einem Reality-TV-Wettbewerb“ wirken.
Auch in Afghanistan sorgt der Vorfall für Aufsehen. Ein Kommentator des Nachrichtensenders TOLOnews fragte: „Wenn Deutschland trotz Taliban wieder Menschen abschiebt, warum beschwert es sich über die Ergebnisse? Vielleicht sollten sie ihre Asylverfahren gründlicher prüfen, statt später über ‚maximale Härte‘ zu sprechen.“
Wahlkampf als Bühne für „maximale Härte“
Die Tat von München hat den Wahlkampf mit voller Wucht erfasst – und macht einmal mehr deutlich, wie tief die Migrationspolitik in der politischen Debatte verankert ist. Der Tenor der Reaktionen: maximale Härte, weniger Nachsicht, mehr Abschiebungen.
Die Grünen-Kandidaten Robert Habeck und Annalena Baerbock versuchten zwar, einen Gegenpol zu setzen, indem sie vor Spaltung und populistischen Schnellschüssen warnten. Doch inmitten der lauten Forderungen nach „härteren Maßnahmen“ wirkt das wie ein Ruf in der Wüste.
Eine Frage bleibt offen: Wenn nach solchen Taten sofort von „politischen Konsequenzen“ gesprochen wird, wann wird man in der Lage sein, proaktiv zu handeln, statt immer nur reaktiv? Vielleicht wäre es an der Zeit, nicht nur den Wahlkampf mit schnellen Schlagzeilen zu füttern, sondern nachhaltige Antworten auf die Herausforderungen einer komplexen Welt zu finden. Aber wie das so ist: Es gibt Wahlen zu gewinnen, und dafür scheint jeder tragische Vorfall ein willkommener Anlass zu sein.
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