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„Anleihegläubiger müssen mit Einschnitten rechnen“

RyanMcGuire (CC0), Pixabay
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Ein Interview mit Rechtsanwalt Michael Iwanow aus Dresden


Frage: Herr Iwanow, die publity AG hat mitgeteilt, dass die Rückzahlung ihrer 5,50 %-Unternehmensanleihe 2020/2025 nicht gesichert ist. Was bedeutet das für die Anleihegläubiger?

Michael Iwanow: Das ist eine alarmierende Nachricht für die Anleger. Wer in eine Unternehmensanleihe investiert, geht grundsätzlich davon aus, dass das Unternehmen die Rückzahlung am Fälligkeitstag leisten kann. Wenn ein Unternehmen nun öffentlich mitteilt, dass dies nicht gesichert ist, bedeutet das nichts anderes, als dass das Geld aktuell nicht vorhanden ist oder nicht in vollem Umfang zur Verfügung steht. Eine Restrukturierung ist oft ein Euphemismus für Verlängerung der Laufzeit, Zinskürzungen oder sogar einen teilweisen Forderungsverzicht der Gläubiger.

Frage: Welche Maßnahmen könnte eine solche Restrukturierung konkret beinhalten?

Iwanow: Die publity AG hat noch keine Details genannt, aber typische Maßnahmen wären:

Verlängerung der Anleihelaufzeit – die Gläubiger müssten länger auf ihr Geld warten.
Zinsreduzierung oder Stundung – die versprochenen 5,50 % könnten gekürzt oder erst später ausgezahlt werden.
Teilweiser Schuldenschnitt – die Gläubiger müssten auf einen Teil ihrer Forderung verzichten.

Diese Maßnahmen bedeuten erhebliche finanzielle Nachteile für die Anleger.

Frage: Können sich die Anleihegläubiger gegen eine solche Restrukturierung wehren?

Iwanow: Theoretisch ja, praktisch ist das oft schwierig. In der Regel wird eine Gläubigerversammlung einberufen, bei der über die Restrukturierung abgestimmt wird. Dabei können Anleihegläubiger zwar abstimmen, doch häufig werden Mehrheiten durch institutionelle Investoren oder von der Gesellschaft beeinflusste Gruppen gebildet. Falls Anleger mit der Restrukturierung nicht einverstanden sind, bleibt oft nur der Weg vor Gericht – etwa mit einer Anfechtungsklage.

Frage: Was passiert, wenn die Anleihegläubiger eine Restrukturierung ablehnen?

Iwanow: Falls keine Einigung erzielt wird, droht die Insolvenz der publity AG. Dann wären die Gläubiger im Insolvenzverfahren auf eine Quote angewiesen – und diese liegt bei Unternehmenspleiten oft weit unter 50 % oder sogar im einstelligen Bereich. In vielen Fällen bleibt am Ende ein Totalverlust.

Frage: Welche Optionen haben betroffene Anleger jetzt?

Iwanow: Ich rate Anlegern, folgende Schritte zu prüfen:

📌 Abwarten, welche Restrukturierungsvorschläge kommen – und sich nicht vorschnell unter Druck setzen lassen.
📌 Sich mit anderen Anlegern zusammenschließen, um gemeinsam eine stärkere Verhandlungsposition zu haben.
📌 Rechtliche Schritte abwägen, insbesondere wenn der Verdacht besteht, dass Anleger über die Risiken unzureichend informiert wurden.

Frage: Gibt es Chancen, dass publity die Krise meistert?

Iwanow: Das hängt von vielen Faktoren ab. Die publity AG wird sicherlich versuchen, eine Insolvenz zu vermeiden, weil das für das Management und andere Stakeholder massive Konsequenzen hätte. Letztendlich kommt es darauf an, ob das Unternehmen in der Lage ist, Kapital zu beschaffen oder genügend Erträge zu erwirtschaften, um seine Schulden zu bedienen. Für Anleger bleibt es jedoch eine sehr unsichere Lage.

Frage: Ihr Fazit?

Iwanow: Anleger, die sich sicher wähnten, sehen sich nun mit einem hohen Risiko konfrontiert. Die Erfahrung zeigt: Je früher man sich informiert und seine Rechte prüft, desto besser. Wer auf eine Rückzahlung zum 19. Juni 2025 gehofft hat, muss sich jetzt darauf einstellen, dass dieser Termin möglicherweise nicht gehalten wird.

Frage: Vielen Dank für das Gespräch!

Iwanow: Sehr gern!

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