Einen Tag nachdem ein Teil eines US-Raketenangriffs das Dorf Jabo im Nordwesten Nigerias traf – nur wenige Meter von der einzigen medizinischen Einrichtung des Ortes entfernt –, herrschen unter den Bewohnern Schock und große Unsicherheit.
Suleiman Kagara, Einwohner der überwiegend muslimischen Bauerngemeinde im Bezirk Tambuwal im Bundesstaat Sokoto, schilderte gegenüber CNN, er habe gegen 22 Uhr am Donnerstag einen lauten Knall gehört und Flammen gesehen, als ein Geschoss über ihn hinwegflog.
Kurz darauf sei es eingeschlagen, habe beim Aufprall explodiert und Panik unter den Dorfbewohnern ausgelöst.
„Wir konnten die ganze Nacht nicht schlafen“, sagte Kagara. „So etwas haben wir noch nie erlebt.“
Was Kagara zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Es handelte sich um einen Teil eines US-Luftschlags, den Präsident Donald Trump später als „Weihnachtsgeschenk“ an Terroristen bezeichnete.
Noch am Donnerstag erklärte Trump, die USA hätten einen „mächtigen und tödlichen Schlag“ gegen ISIS-Kämpfer in der Region ausgeführt. Er warf ihnen vor, „unschuldige Christen auf eine Weise zu verfolgen und zu töten, wie man sie seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrhunderten, nicht mehr gesehen hat“.
Das US Africa Command teilte mit, bei der Operation seien mehrere ISIS-Kämpfer „neutralisiert“ worden.
Doch Trumps Aussage sorgt in Jabo eher für Kopfschütteln. Zwar gibt es in Teilen des Bundesstaates Sokoto Probleme mit bewaffneten Gruppen wie der Lakurawa-Miliz – die von Nigeria wegen mutmaßlicher Verbindungen zum Islamischen Staat als Terrororganisation eingestuft wird –, doch in Jabo selbst ist laut Aussagen der Bevölkerung kein Terrorismus bekannt. Christen und Muslime leben dort offenbar friedlich zusammen.
„In Jabo sehen wir Christen als unsere Brüder“, sagte Kagara. „Wir haben keine religiösen Konflikte – wir hätten so etwas nicht erwartet.“
Auch Bashar Isah Jabo, Abgeordneter des Bezirks Tambuwal im Regionalparlament, betonte gegenüber CNN, das Dorf sei eine „friedliche Gemeinde“ ohne bekannte Aktivitäten von ISIS, Lakurawa oder anderen Extremistengruppen.
Er erklärte, das Geschoss sei auf einem Feld etwa 500 Meter von einem örtlichen Gesundheitszentrum entfernt eingeschlagen. Zwar gebe es keine Verletzten, aber der Vorfall habe „Angst und Panik in der Bevölkerung“ ausgelöst.
Das nigerianische Informationsministerium teilte später mit, dass in Zusammenarbeit mit den USA „gezielte Präzisionsschläge“ gegen ISIS-Verstecke in den Wäldern des Bezirks Tangaza im Bundesstaat Sokoto durchgeführt worden seien.
Gleichzeitig wurde eingeräumt, dass „Trümmerteile der eingesetzten Munition“ in Jabo und auch in einem anderen Ort im zentral gelegenen Bundesstaat Kwara niedergegangen seien. Dabei habe es jedoch keine zivilen Opfer gegeben.
Die US-Operation folgt auf wiederholte Aussagen von Präsident Trump, wonach Christen in Nigeria massiven Gefahren ausgesetzt seien. Bereits im Vormonat hatte er das Pentagon angewiesen, militärische Maßnahmen vorzubereiten.
Nigerias Außenminister Yusuf Tuggar erklärte am Freitag gegenüber CNN, er habe vor dem Einsatz mit US-Außenminister Marco Rubio gesprochen. Auch Präsident Bola Tinubu habe die Zustimmung zur Operation erteilt.
Tuggar betonte jedoch, dass es sich bei dem Einsatz nicht um eine religiös motivierte Aktion gehandelt habe, sondern um eine Maßnahme zum Schutz der Zivilbevölkerung in der Region.
Experten weisen darauf hin, dass religiöse Spannungen nur ein Aspekt der vielschichtigen Sicherheitskrise in Nigeria seien. Hinzu kommen ethnische Konflikte, Spannungen zwischen Viehhirten und Landwirten sowie strukturelle Probleme durch schlechte Regierungsführung.
Nnamdi Obasi, leitender Berater bei der International Crisis Group, sagte, die US-Luftschläge könnten zwar einzelne bewaffnete Gruppen schwächen und ein bedeutender Schritt im Kampf gegen die Gewalt sein, mit der Nigerias überlastetes Militär seit Jahren kämpft – ein Ende der komplexen Gewalt im Land seien sie jedoch kaum.
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