Der US-Arbeitsmarkt wirkt derzeit wie ein Schiff ohne Fahrtwind: Die Unternehmen stellen weiterhin ein – aber deutlich langsamer als früher. Die Zahl der Neueinstellungen ist auf einem der niedrigsten Niveaus seit zwei Jahrzehnten, während gleichzeitig kaum jemand entlassen wird. „Low hire, low fire“, nennen Ökonomen diesen Zustand. Und genau darin scheint die US-Wirtschaft festzustecken.
„Die Menschen, die noch einen Job haben, klammern sich daran mit weißen Knöcheln“, sagte Dan North, Chefökonom bei Allianz Trade. „Das ist ein stagnierender Arbeitsmarkt.“
Trügerische Stabilität
Obwohl die Wirtschaft insgesamt noch wächst und die Produktivität nicht eingebrochen ist, mehren sich die Warnzeichen: Die Langzeitarbeitslosigkeit steigt, mehr Menschen geben frustriert die Jobsuche auf – und die Ungleichheit nimmt zu. Besonders problematisch: Die Arbeitslosigkeit stieg zuletzt auf den höchsten Stand seit vier Jahren, obwohl offiziell noch neue Stellen geschaffen wurden.
Ein tieferer struktureller Wandel könnte mitverantwortlich sein: Die alternde Babyboomer-Generation verlässt zunehmend den Arbeitsmarkt, während gleichzeitig die Einwanderung durch restriktive Politik ausgebremst wird. „Das Arbeitsangebot schrumpft“, sagt Joe Brusuelas, Chefökonom bei RSM US.
Sein Fazit: Die Wirtschaft braucht heute deutlich weniger Neueinstellungen als früher, um stabil zu bleiben – rund 50.000 pro Monat würden laut Brusuelas ausreichen.
Zwei Klassen, zwei Realitäten
Was aus Sicht von Kapitalmärkten stabil erscheint, verstärkt aus gesellschaftlicher Sicht jedoch die soziale Spaltung: Eine sogenannte „K-förmige“ Wirtschaft entsteht – wohlhabendere Haushalte profitieren weiter, während ärmere Haushalte zunehmend abgehängt werden.
KI, Politik und Unsicherheit als Bremsklötze
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Künstliche Intelligenz (KI). Zwar schaffen neue Technologien langfristig auch Jobs, doch kurzfristig halten sich viele Unternehmen mit Neueinstellungen zurück – aus Angst vor zukünftiger Disruption.
Auch politische Unsicherheit, insbesondere in der Einwanderungs- und Wirtschaftspolitik, wirkt wie ein Bremsklotz. „Ich sehe momentan keine politischen Bedingungen, die eine rasche Belebung des Arbeitsmarkts ermöglichen“, meint Tyler Schipper von der Universität St. Thomas.
Sein ernüchterndes Fazit: Eine echte Trendwende könnte erst durch eine Rezession ausgelöst werden – ein harter, aber manchmal notwendiger Schnitt.
Hoffnung auf Reaktion – irgendwann
Doch es gibt auch optimistischere Stimmen: Cory Stahle vom Indeed Hiring Lab glaubt, dass der Arbeitsmarkt sich durchaus wieder erholen könnte – nur eben langsam. Wie ein schwerfälliger Tanker brauche es Zeit, bis die Kursänderung Wirkung zeige. Die Zinssenkungen der US-Notenbank könnten erste Impulse geben, ebenso wie eine Verbesserung des allgemeinen politischen Klimas.
„Solange der Nebel der Unsicherheit nicht verschwindet, tappen viele Unternehmen weiter im Dunkeln“, so Stahle. Doch klar ist: In diesem „Nebel“ hat sich der US-Arbeitsmarkt derzeit festgefahren – und ein klares Ziel ist nicht in Sicht.
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