Im aufsehenerregenden Cum-Ex-Steuerbetrugsfall hat die 6. Große Strafkammer des Landgerichts München I heute die Angeklagten Götz K. (71) und Thomas U. (63) wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu Freiheitsstrafen von jeweils 5 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Zusätzlich wurde die Einziehung von Wertersatz in Höhe von rund 7,9 Millionen Euro (Götz K.) bzw. 7,6 Millionen Euro (Thomas U.) angeordnet.
Die Taten und der Schaden
Die Wirtschaftsstrafkammer, geleitet von Richterin Andrea Wagner, stellte fest, dass die beiden Angeklagten in den Jahren 2009 und 2010 gemeinschaftlich Steuern in Höhe von mehr als 343 Millionen Euro hinterzogen haben.
Durch die Auflage von vier sogenannten Aktenfonds, in die vor allem vermögende Privatpersonen und Family Offices investierten, setzten die Angeklagten eine komplexe Konstruktion in Gang. Die Fonds führten gezielt um den Dividendenstichtag herum Aktiengeschäfte durch, die Banken fälschlicherweise den Eindruck vermittelten, Kapitalertragsteuern seien abgeführt worden. Dies war jedoch nie der Fall. Stattdessen wurden durch die Konstruktion unrechtmäßige Steuererstattungen ausgelöst.
Die Fonds selbst waren durch vorherige Absicherungsgeschäfte (Futures) risikoarm gestaltet. Der „Gewinn“ bestand ausschließlich aus der zu Unrecht erstatteten Kapitalertragsteuer. Anlegern wurden in den Jahren 2009 und 2010 dadurch Renditen von 18 % bzw. 12 % ermöglicht.
Geständnis und Urteil
Die Angeklagten gestanden den Sachverhalt umfassend und zeigten sich reuig. Die Aussagen der beteiligten Steuerfahnder sowie weiterer Beschuldigter, darunter Dr. S., bestätigten die Vorwürfe.
Richterin Wagner sprach von einem „ungehemmten und beispiellosen Griff in die Staatskasse“, der vor allem einem kleinen Kreis äußerst wohlhabender Personen zugutekam. Sie lobte die akribische Arbeit der Steuerfahnder und der Staatsanwaltschaft, ohne die diese komplexen Vorgänge nicht hätten aufgedeckt werden können.
Die Vorsitzende zeigte sich zudem besorgt über den Einfluss, den Berater und Lobbyisten aus dem Kreis der Profiteure auf das Finanzministerium ausgeübt hätten. Allen Beteiligten sei bewusst gewesen, dass eine nicht gezahlte Kapitalertragsteuer nicht erstattungsfähig sei.
Strafmaß und Begründung
Zugunsten der Angeklagten berücksichtigte das Gericht deren Geständnis sowie die bisherige Straffreiheit. Zu Lasten gewertet wurde hingegen der immense Schaden von über 343 Millionen Euro und die Notwendigkeit einer generalpräventiven Wirkung des Urteils.
Angesichts der Komplexität des Verfahrens, das sich über mehrere Jahre hinzog, wurden jeweils sechs Monate der Strafe als bereits vollstreckt angerechnet.
Rechtsmittel und Ausblick
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft können binnen einer Woche Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Dieses Urteil unterstreicht erneut die immensen Herausforderungen bei der Aufarbeitung von Cum-Ex-Skandalen, die als eines der größten Steuerbetrugsmanöver in der Geschichte Deutschlands gelten.
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