Die jüngsten Entwicklungen in Washington lassen Verfassungsrechtler aufhorchen: Die Trump-Regierung scheint sich nicht mehr an gerichtliche Anordnungen gebunden zu fühlen und beansprucht nahezu uneingeschränkte Exekutivgewalt. Der Konflikt eskaliert insbesondere im Zusammenhang mit der Abschiebung venezolanischer Bandenmitglieder – ein Vorgang, der trotz eines gerichtlichen Stopps fortgesetzt wurde.
Gerichtsbeschluss? Egal.
Die Trump-Administration argumentiert, dass der Präsident als Oberbefehlshaber über weitreichende Befugnisse verfügt und sich nicht der Kontrolle der Justiz unterwerfen müsse. Besonders deutlich wurde diese Haltung in einem Interview mit Trumps Berater Stephen Miller, der erklärte, dass das Alien Enemies Act dem Präsidenten explizit die Befugnis gebe, eine „Invasion“ abzuwehren – und dass kein Gericht das Recht habe, diese Entscheidung anzufechten.
„Das ist nichts, worüber ein einzelner Bezirksrichter urteilen kann“, sagte Miller. Trumps Grenzschutzbeauftragter Tom Homan ging sogar noch weiter: „Wir machen weiter. Es ist mir egal, was die Richter denken.“
Ein direkter Angriff auf die Gewaltenteilung
Richter James Boasberg, der am Wochenende die Abschiebungen per einstweiliger Verfügung stoppte, zeigte sich fassungslos über die Reaktion der Regierung. Er warf dem Justizministerium vor, sich bewusst über sein Urteil hinwegzusetzen und verlangte eine Offenlegung der Flugbewegungen der Abschiebeflüge – eine Anordnung, die die Regierung verweigerte.
Juristen sehen darin eine direkte Missachtung der Gewaltenteilung, die eine der Grundsäulen der US-Verfassung ist. Der ehemalige Bundesrichter John E. Jones III bezeichnete die Situation als „eine Art inter-institutionellen Machtkampf auf höchster Ebene“.
Verfassungsbruch als Strategie?
Die Trump-Regierung hat bereits in der Vergangenheit angedeutet, dass sie sich als beinahe unbegrenzte Exekutive sieht. Trump selbst sagte schon 2019: „Ich habe einen Artikel II, das bedeutet, dass ich als Präsident tun kann, was ich will.“ Diese Sichtweise widerspricht klar dem Grundsatz, den das historische Urteil Marbury v. Madison (1803) festlegte: dass das Handeln des Präsidenten sehr wohl der gerichtlichen Überprüfung unterliegt.
Rechtswissenschaftler Corey Brettschneider warnt: „Wenn die Regierung sich nicht einmal an Entscheidungen des Supreme Courts gebunden fühlt, dann befinden wir uns zweifellos in einer Verfassungskrise.“
Die politische Dimension: Wer stoppt Trump?
Trump setzt darauf, dass seine republikanischen Verbündeten ihn nicht bremsen werden – und dass die demokratische Opposition zu schwach ist, um ihn aufzuhalten. Seine Regierung setzt auf eine Mischung aus harter Migrationspolitik, demografischer Mobilisierung und administrativer Umstrukturierung, um die Exekutive langfristig zu stärken.
Seine Pressesprecherin Karoline Leavitt stellte am Montag klar: „Der Präsident wurde mit einem überwältigenden Mandat gewählt, die größte Massenabschiebung in der Geschichte der USA zu starten – und genau das tut er jetzt.“
Ob der Kongress oder die Gerichte in der Lage sein werden, Trump in seinem Machtstreben zu bremsen, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Eines ist jedoch sicher: Die Auseinandersetzung um die Verfassung ist längst in vollem Gange.
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