Staatliche Ausnutzung der Rentenkassen

Bürger dieses Landes, die für ihre Rente sparen – gezwungenermaßen über ihren Arbeitgeber – lernen, dass diese für allgemeinstaatliche Aufgaben  im Vorgriff zweckentfremdet wird.

Die Sozialinstitute werfen dem Staat vor, die Sozialabgaben in die Höhe zu treiben. Das ist nicht neu, aber es ist erforderlich diese Tatsache mit Blick auf die Vergangenheit hervorzuheben. Hauptgrundlage ist die Erkenntnis, dass die Sozialversicherung stetig neue Aufgaben übernehmen muss, für die sie kraft ihrer Zielsetzung nicht vorgesehen ist. Dabei werden Grenzbereiche zwischen aus Steuern zu finanzierenden allgemeinen Ausgaben und sozialen Einrichtungen überwiegend zulasten der Rentenkasse gewichtet.

Zu diesen eher dem Staat und den Steuern zuzuordnenden Belastungen gehören die Frühverrentung ab dem 63. Lebensjahr und die Ausweitung der Mütterrente. Daraus resultieren Zusatzausgaben von mehr als 9 Milliarden Euro pro Jahr – Tendenz steigend. Zur Entlastung soll es erst 2019 kommen, wenn ein Teil dieser Zusatzausgaben durch höhere Bundeszuschüsse finanziert werden soll. Eine weitere Position ist die Angleichung der Ost-Renten an das Westniveau. Diese wird bis 2025 ohne verständliche Grundlage über die Sozialabgaben finanziert. Das Finanzministerium erreicht auf diese Weise, dass der Bundeshaushalt die schwarze Null ausweist – zulasten der Rentenkasse und ihrer späteren Profiteure, den Rentnern.

Gerade die erste Position führt zur Verwunderung. Die Entschuldigung, dass die Frühverrentung im Ausland mit geringerem Alter möglich ist, zieht nicht. Gerade diese wird in Griechenland und Frankreich mit Intensität kritisiert – von der EU mit der Hoffnung, dass dieser Missstand bald aufgehoben wird. Aus heutiger Sicht belastet dieser Sachverhalt die Gedanken der Bürger Deutschlands weniger. Unter Führung dieses Landes wird unterstellt, dass der ungewöhnlich lange wirtschaftliche Aufschwung mindestens bis 2019 fortdauert. Damit ist das eigene Gewissen bezogen auf Deutschland abgedeckt. Die Probleme anderer EU-Staaten sind ausgeblendet. Die Ökonomen werden es schon richten.

Die Konsequenz ist, dass die Sozialinstitute umgekehrt höhere Steuerzuschüsse fordern. Die Folgen dieser Art der Finanzpolitik können fatal sein. Gegenseitige Forderungen machen die tatsächlichen Sachverhalte unübersichtlich. Der Bürger blendet sich aus. Als Arbeitnehmer hofft er auf die Aussagen von Norbert Blüm, an die sich alle noch nach Jahrzehnten erinnern:

„Die Rente ist sicher.“ Das war sie schon damals nicht – außer für Herrn Blüm persönlich.

Hohe Abgaben sorgen dafür, dass die Empfänger von Sozialleistungen keinen Sinn in der Aufnahme eines Jobs sehen, da pro Monat über Euro 850 für Sozialabgaben anfallen und das angestrebte Einkommen vorab stark vermindern. Die Übernahme versicherungsfremder Aufgaben sollte für die Sozialversicherung durch Bundeszuschüsse ausgeglichen werden. Beiträge der Arbeitslosenversicherung könnten um 10% gesenkt werden, da deren Rücklagen bereits erheblich sind (ab 2019 > 20 Milliarden Euro – Thelen, P., Berlin) .

Diese Überlegungen sind im Vorgriff auf die Problemstellungen der Zukunft zu sehen.

Die größte Rückversicherungsgesellschaft der Welt, Munich RE, hat Anfang 2016 durch ihren damaligen Vorstandsvorsitzenden, Herrn von Bomhard, mitteilen lassen, dass sie ähnliche wirtschaftliche Probleme der Altersversorgung bei den Instituten der Versicherungswirtschaft und den Sozialkassen sieht. Diese resultieren aus einem von den Bürgern meist als positiv empfundenen Sachverhalt: Im kommenden Jahrzehnt wird es durch Erfolge der medizinischen Forschung zur abrupten Steigerung der Lebenserwartung der Bürger Mitteleuropas kommen.

Seit dem Jahr 1900 ist die Lebenserwartung mitteleuropäischer Bürger in jeder Dekade um

2 – 2,5 Jahre gestiegen – unabhängig von Kriegen und Seuchen (z. B. in den Jahren vor 1920). Eine nicht erwartete, von den Versicherungswirtschaften bedingt eingeplante Erhöhung der Lebenserwartung wird zu einem wirtschaftlichen Problem für die Altersvorsorge und, bezogen auf die Infrastruktur, der Wohnungsversorgung kommen. Der Bedarf von neuen Wohnungen wird von den Bürgern anerkannt, aber das eigene Umfeld betreffende Maßnahmen nicht (but not in my backyard).

Die gleiche Problematik stellt sich bei der Altersversorgung, deren Finanzierung langfristig infrage gestellt werden kann. Dazu gibt es seit Anfang dieses Jahrhunderts Pläne und Hochrechnungen, die positive gesundheitliche Situation und damit höhere Lebenserwartung einkalkulieren. Die mittlere Lebenserwartung liegt in medizinischer Sicht deutlich über dem hundertsten Lebensjahr, während die Hochrechnungen des statistischen Bundesamtes im Umfeld von 90 Jahren verweilen. Positiv ist zu vermerken, dass – ohne Kenntnis der meisten Bürger Deutschlands – die Geburtenraten seit 2009 durchschnittlich um ca. 5,5% pro Jahr steigen. Das kann durch die der Generation Z folgende Generation alpha (ab 2010 Geborene) zu einer Milderung des Problems führen.

Nach Auffassung der Sozialinstitute geht kein Weg daran vorbei, dass die Rentenfinanzen stabilisiert werden müssen. Dazu könnten höhere Steuerzuschüsse in Anspruch genommen werden. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen – je nach Ruhestandsalter – im nächsten Jahrzehnt in die Rente. Dabei wird mit dem gesetzlichen Rentenalter von bis dahin 67 Jahren kalkuliert, aber nachdrücklich verlangt, dass dieses auf mehr als 69 Jahre hochgesetzt wird (Herr Schäuble plädiert für 70 Jahre). Die EU verlangt jedoch auf Basis der Lebenserwartung deutscher Bürger ein Ruhestandsalter von 74 Jahren. Damit würde eine Entlastung erreicht, da die Relationen von Rentnern zu Beitragszahlern stabilisiert werden würde.

Mit dieser Steigerung des Alters für den Ruhestand könnten die Ausgaben der Rentenkassen mittelfristig gelöst werden. Weitere Steigerungen der Lebenserwartung aufgrund der Forschung zur Zellteilung dürften auch diese Kalkulationen zunichte machen. Beruhigend ist die Einstellung eines noch kleinen Teils der Bürger Deutschlands: 11% haben ihren Ruhestand bereits jetzt für das 74. Lebensjahr geplant, zum Teil alte Arbeitnehmerkontakte wieder aufgenommen – mehr jedoch, um den Fehlbestand von qualifizierten Spezialisten bei Unternehmen auszugleichen. Dies betrifft auch Freiberufler und gewerblich Tätige. Am Rande: Ein bekannter Unternehmer in Frankfurt hat anlässlich seines 101. Geburtstags bei einer Veranstaltung hervorgehoben, dass er seine Aufgaben auf einen jungen Nachfolger übertragen werde: Dieser ist 78 Jahre alt.

Ohne diese Maßnahmen können deutliche Beitragserhöhungen nur durch geringere Rentenleistungen verhindert werden.

Die gleiche Problematik stellt sich für den Staat bei Beamtenpensionen, da die demographisch begründeten Einschnitte für Pensionäre noch nicht umgesetzt worden sind. Prinzipiell greift die Erkenntnis der unerwarteten Lebensverlängerung bei Italienern, Franzosen und Deutschen. Italiener und Franzosen feiern mit dem besten Wein; Deutsche sind entsetzt: „Wer soll das bezahlen?“

One Comment

  1. xxx Dienstag, 03.10.2017 at 17:37 - Reply

    Man könnte auch die Beitragsbemessungsgrenze aufheben, Sozialbeiträge auf alle Einnahmen erheben, das Ehegattensplitting streichen, eine angemessen hohe Erbschafts- und Vermögenssteuer einführen, die Lohnsteuersätze auf Kohl’sche Zeiten anhöhen und all das zusammen mit den derzeitigen Renten, Sozialleistungen, Kindergeld und Pensionen in ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden umwandeln. Gleichzeitig hätte die Gängelei im JobCenter für jeden Cent Hartz IV ein Ende. Die Rentner mit den höchsten Einbußen leben in einem abbezahlten Haus und haben immense Rücklagen, wovon sie nach wie vor 4x jährlich in Urlaub fahren können.

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