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Interview mit Rechtsanwalt Maurice Högel: Was können betroffene Investoren jetzt tun?

geralt (CC0), Pixabay
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Frage: Herr Högel, der Skandal um die Deutsche Rücklagen GmbH und Hausverwaltungen wie Kallmeyer und Nagel weitet sich aus. Tausende Wohnungseigentümer bangen um ihre Gelder. Wie ist die aktuelle rechtliche Situation?

Maurice Högel: Die Lage ist äußerst besorgniserregend. Es gibt inzwischen zahlreiche Hinweise darauf, dass Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) ohne ihre Zustimmung in fragwürdige Anleihen investiert wurden, was einen klaren Verstoß gegen geltendes Recht darstellt. Das Wohnungseigentumsgesetz schreibt vor, dass Rücklagen mündelsicher und jederzeit verfügbar sein müssen – was bei diesen riskanten Anleihen offenbar nicht der Fall war. Darüber hinaus wurden diese Investitionen oft verschleiert, sodass viele Eigentümer erst durch die Insolvenzen der Hausverwaltungen davon erfahren haben.

Frage: Was bedeutet das konkret für betroffene Eigentümer? Besteht noch eine Chance, das investierte Geld zurückzubekommen?

Högel: Das hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen ist zu prüfen, ob die Anleihen überhaupt noch werthaltig sind oder ob die Deutsche Rücklagen GmbH bereits zahlungsunfähig ist. Die Finanzaufsicht BaFin hatte das Kreditgeschäft der Gesellschaft bereits im März 2024 untersagt, trotzdem wurden weiterhin Anleihen verkauft. Wenn hier bewusst gegen regulatorische Auflagen verstoßen wurde, könnten Strafanzeigen wegen Betrugs eine Rolle spielen.

Zum anderen ist die Rolle der Hausverwaltungen entscheidend. Falls sie ohne Zustimmung der Eigentümergemeinschaften Gelder investiert haben, könnte das zu Haftungsansprüchen gegen die verantwortlichen Geschäftsführer führen. Da Kallmeyer und Nagel bereits unter vorläufiger Insolvenzverwaltung steht, wird geprüft, ob Vermögenswerte noch vorhanden sind oder ob es zu einer zweckwidrigen Verwendung von Kundengeldern kam.

Frage: Welche konkreten Schritte empfehlen Sie betroffenen Investoren jetzt?

Högel: Zunächst einmal sollten sich betroffene Wohnungseigentümer rechtlich beraten lassen und ihre Ansprüche prüfen. Folgende Schritte sind jetzt wichtig:

  1. Sammeln und sichern Sie alle relevanten Unterlagen, insbesondere Zeichnungsscheine für die Anleihen, Kontoauszüge und die Kommunikation mit der Hausverwaltung.
  2. Melden Sie sich beim vorläufigen Insolvenzverwalter und lassen Sie Ihre Forderungen fristgerecht anmelden. Die Frist für Insolvenzforderungen muss genau beachtet werden.
  3. Erstatten Sie Strafanzeige, falls Sie den Verdacht haben, dass Ihre Hausverwaltung ohne Zustimmung Gelder investiert hat. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen in Frankfurt ermittelt bereits in mehreren Fällen.
  4. Prüfen Sie Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer und Aufsichtsorgane der beteiligten Unternehmen. Falls es Belege für eine pflichtwidrige Verwendung von WEG-Geldern gibt, könnte eine persönliche Haftung in Frage kommen.
  5. Lassen Sie prüfen, ob der Kauf der Anleihen überhaupt wirksam war. Falls die Hausverwaltung ohne Beschluss der WEG gehandelt hat, könnte die Investition nichtig sein, und Rückforderungsansprüche bestehen.

Frage: Gibt es Anzeichen dafür, dass wir es hier mit einer sogenannten „Kriminalinsolvenz“ zu tun haben?

Högel: Es gibt einige alarmierende Hinweise, die auf ein systematisches Vorgehen hindeuten könnten. Besonders verdächtig ist, dass:

  • die BaFin bereits im März 2024 das Kreditgeschäft der Deutschen Rücklagen untersagt hat, die Gesellschaft aber trotzdem weiter Anleihen platziert hat.
  • Geschäftsführer mit Verbindungen zur Consigma-Gruppe tätig waren, die bereits früher auffällig geworden ist.
  • die Deutsche Rücklagen weder fällige Zinsen noch gekündigte Anleihen zurückgezahlt hat – ein klassisches Muster bei betrügerischen Schneeballsystemen.
  • nun plötzlich eine Gläubigerversammlung einberufen wurde, bei der versucht wird, die Anleihebedingungen nachträglich zu ändern.

Falls sich herausstellt, dass bewusst Anlegergelder missbraucht wurden, wäre das eine Straftat, und die Verantwortlichen müssten sich wegen gewerbsmäßigen Betrugs oder Untreue verantworten.

Frage: Können betroffene Eigentümer sich zusammenschließen, um gemeinsam vorzugehen?

Högel: Ja, das ist sogar dringend zu empfehlen. In vielen Fällen sind Sammelklagen oder gemeinsame Klagen von Eigentümergemeinschaften die beste Option. Dadurch können Kosten gesenkt und der Druck auf die Verantwortlichen erhöht werden. Es gibt bereits erste Urteile, die bestätigen, dass eine solche Anlageform gegen die mündelsichere Anlagepflicht verstößt.

Frage: Was passiert nun als Nächstes in diesem Fall?

Högel: Die Insolvenzverfahren gegen die Hausverwaltungen laufen bereits, die Deutsche Rücklagen GmbH steht unter vorläufiger Insolvenzverwaltung. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat die Ermittlungen gebündelt, sodass es in den nächsten Wochen zu weiteren Strafanzeigen und möglicherweise auch ersten Anklagen kommen könnte.

Für Anleger ist es jetzt entscheidend, sich aktiv um ihre Forderungen zu kümmern, rechtlichen Beistand einzuholen und vor allem frühzeitig zu handeln, um nicht leer auszugehen.

Frage: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Högel.

Högel: Sehr gern.

2 Kommentare

  • Wir eine WEG in Nieder – Olm sind ebenfalls Opfer dieses Herrn Ulmers .Wir haben 2024 ebenfalls unsere Gelder 54.000 Euro zurück gefordert.Jetzt wurde Konkurs gemeldet .2024 wurden die Gelder ebenfalls zurück gefordert .Wenn er sich jetzt in der Schweiz befindet ,ist unser Geld mit Sicherheit auch dort. Der Mann hat eine Mainzer WEG ,Vogelsbergstrasse um 180.000 Euro „erleichtert“.Die haben jetzt einen grossen teueren Schaden am Dach und wissen nicht mehr weiter ,während Herr Ulmer immer sich noch auf freien Fuss befindet.

  • Ich bin Verwaltungsbeirat der Liegenschaft Brunnenstr.91 Rüsselsheim-Bauschheim.
    Unser Verwalter war bis Juni 2024 Impuls Immobilienverwaltung in 65474 Bischofsheim. Impuls wurde 2021 von Dr.Martin Ulmer als Verwalter übernommen und in die Consigma Gruppe integriert. Herr Dr. Ulmer hat danach(2023) unsere Rücklagengelder in Höhe von 101.000€ ohne Information und Wissen der WEG und des Verwaltungsbeirats zur Volksbank Main Tauber transferiert. Von hier aus wurden diese Gelder zur Deutschen Rücklagen überwiesen. Von DR wurden die 101.000€ als Mezzanine Kapital (Nachrangdarlehen mit hohem Verlustrisiko)ohne Information und Erlaubnis der BaFin in Bauprojekte investiert.
    Anfang Mai 2024 wurden unsere Rücklagengelder mit sofortiger Wirkung von der WEG und unserer neuen Hausverwaltung zurückgefordert. Von DR wurde uns lediglich die Kündigung der Anleihen und Rückzahlung zum 31.12.2024 schriftlich bestätigt. Diese Rückzahlung und Zinsen erfolgte nicht! Nun hat die DR Insolvenz angemeldet.
    Wir sind nicht die einzigen Betroffenen; mindestens 40 weitere WEG warten auch auf ihr Geld!
    Herr Dr. Martin Ulmer, der m.E. diese Sachen eingefädelt hat ist mittlerweile in St.Gallen Schweiz bei einer anderen Firma tätig. Wir und Andere gehen gerichtlich vor, mit zweifelhaftem Erfolg.

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